Sonntag, 6. November 2022
Jake Gutzwiller (Gitarre)
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Gespräch: Michael Bohli
Fünf Jahre sind ins Land gestrichen, seit die Post-Rock-Gruppe glaston mit dem Album «Inhale / Exhale» instrumentale Lieder erster Güte veröffentlicht hat. Nun steht endlich die neue Ära mit der zweiten Platte «I Am Whole» bevor. Vieles hat sich auf der Welt in der Zwischenzeit verändert, die Musiker:innen aus Basel und Zürich besannen sich beim Songwriting auf eine persönliche Herangehensweise und suchten neue Reize im Genre. Wir haben mit dem Gitarristen Jake Gutzwiller über die hiesige Post-Rock-Szene und das Arbeiten in der Band gesprochen.
Das Album «I Am Whole” erscheint am 11. November 2022 bei A Thousand Arms Music und Dunk! Records.
Michael: Das Dynamo in Zürich, ein Ort mit Verbindungen zu glaston und Lokal für die private Albumpräsentation. Wie fühlt ihr euch hier?
Jake: Sehr wohl. Wir haben im Werk 21 oder auch im Saal die Bühne bereits mit vielen tollen Musiker:innen geteilt und verbinden damit sehr viele positive Erinnerungen.
Wo ist glaston zuhause, ihr seid schliesslich über mehrere Orte verteilt?
Wir sagen immer, dass wir eine Band aus Basel und Zürich sind. Obwohl ein Grossteil der Band in Zürich wohnt und wir auch hier proben, fühlen wir uns genauso in Basel zuhause. Deshalb haben wir uns entschieden, für das neue Album «I Am Whole» eine Doppel-Plattentaufe zu machen. Zuerst am 26. November im Atlantis Basel und danach am 2. Dezember in der Photobastei Zürich.
Wie arbeitet es sich als Band in einer solchen Zusammenstellung? Gibt es einen gemeinsamen Proberaum oder -tag?
Wir haben seit Jahren einen Proberaum in Zürich Altstetten, in dem wir uns sehr wohl fühlen. Einen konkreten Probetag gibt’s bei uns nicht. Wir proben nur dann regelmässig, wenn ein Konzert ansteht oder wir uns mitten im Songwriting-Prozess befinden. Zwischendurch kann es vorkommen, dass wir uns mehrere Monate nicht zum Musizieren treffen. Es ist okay Pausen zu machen.
Gibt es in der Schweiz eigentlich eine Post-Rock-Szene? Tauscht man sich mit anderen, gleichgesinnten Bands aus?
Ich glaube, es gibt für jede Art Nischenmusik eine Szene. So auch in dem kleinen Genre, in dem wir uns befinden. Wir sind in Kontakt mit den anderen Bands. Meistens geht es darum uns gegenseitig zu unterstützen, um Konzerte in der Region zu organisieren. Oft trifft man sich auch zufällig an Post-Rock-Konzerten, das sind immer schöne Wiedersehen.
Piano und Gitarre – zwei tonangebende Instrumente, zwei kompositorische Grundlagen. Wie entstehen bei euch die Lieder?
Meistens hat jemand eine Idee oder einen groben Entwurf eines Licks oder Riffs. Dann trägt jeder mit seinem Instrument zur Idee bei, indem er/sie Demo-Versionen aufnimmt, die wir über Dropbox austauschen. Auf dieser Basis werden die Songs im Bandraum weiter definiert und verfeinert. Je nach Komplexität oder Länge der Songs wiederholt sich das Prozedere.
In unserem Fall sind es aber nicht nur Piano und Gitarre, welche den ersten Entwurf gemacht haben. Timo hat zum Beispiel mit «Rotbuch» den Grundstein für dieses Lied mit den Synthies gelegt. Und Dave hat vor allem bei «Colder Than Eris» und «Tearing Apart» die Rhythmus-Struktur zusammen mit dem Piano definiert.
Euer kommendes Album heisst «I Am Whole» – fühlt ihr euch komplett, ganzheitlich?
Ja, das kann man so sagen. «I Am Whole» ist ein intimes, persönliches und ehrliches Album. Wir haben sehr lange gebraucht, um die Songs fertig zu schreiben. Auch, um die richtigen Leute zu finden, die unsere Musik verstehen und uns dabei helfen konnten, unsere Vision des Sounds, den wir für das neue Album einfangen wollten, zu verwirklichen. Wir sind überglücklich mit dem Endergebnis. «I Am Whole» fühlt sich wie eine warme Umarmung an.
Die Promotion zum Album wirkt ebenso intim und zart. Besonders die von Chantal Convertini gemachten Fotos. Wie wichtig sind diese Empfindungen für euch als Gruppe?
«I Am Whole» handelt von unserem Inneren, der unendlichen Bandbreite an Emotionen, einer gewissen Unsicherheit und der Unberechenbarkeit des Lebens – und damit letztlich auch davon, sich selbst zu vertrauen und sich so zu akzeptieren, wie man ist. Unsere Musik präsentiert sich als vielseitiger Ausdruck von Gefühlen – sie spiegelt verschiedene Facetten des Alltags wider, die Herausforderungen und die kleinen schönen Momente, die damit einhergehen.
Mit dem Albumcover hat uns Chantal Convertini dazu inspiriert, unser Songwriting auf den Menschen und seine Gefühle auszurichten. Dass wir danach für das Photoshooting wieder zu ihr gingen, war für uns logisch. Sie ist eine fantastische Photographin und Künstlerin.
Wie transportiert man solche Emotionen in instrumentaler Musik?
Das ist eine schwierige Frage und bestimmt je nach Musiker:in ganz unterschiedlich. Wie erwähnt, beginnt alles mit einer kleinen Idee oder Vorstellung. Ich persönlich lasse mich oft von der Gitarre und deren Sound inspirieren, oft lasse ich das Instrument für sich sprechen. Das klingt eventuell merkwürdig, aber bei mir funktioniert es so.
Je nach Gefühlslage widerspiegelt der Output die grundlegende Idee. Danach ist es wichtig, songdienlich zu arbeiten und unvoreingenommen das Lied fertig zu schreiben. Der Rest folgt von selbst. Voila, das war ein kurzer Crashkurs, wie ein glaston-Song entsteht.
Sind Interviews eine Art Ersatz für Songtexte?
So selten wie wir Interviews geben, könnte das vielleicht zu unserer instrumentalen Musik passen. (lacht)
Es ist sicher eine schöne Art den Leuten, die sich für unsere Lieder interessieren, einen tieferen Einblick zu bieten. Als Ersatz würde ich es nicht definieren. Das Gute an der instrumentalen Musik ist, dass die Songtexte oder auch die Geschichte automatisch entstehen. Das ist für jeden Menschen unterschiedlich und entsprechend viel persönlicher.
Wohin führt eure Reise in der nahen Zukunft?
Wir hoffen auf irgendeine Bühne in der Nähe von unseren Zuhörer:innen. Wir möchten «I Am Whole» nicht nur über die Kopfhörer in die Welt hinaustragen, sondern so viele Konzerte wie möglich spielen. Wir hoffen, dass uns dies mit dem Album gelingen wird.
Vielen Dank für die Zeit und die Musik.
Bild: Chantal Convertini (zVg)