Freitag, 21. Februar 2025
Bob Hardy (Bass) und Audrey Tait (Schlagzeug)
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Gespräch: Anna Wirz / Bild: Melissa Mangold
Die schottische Band Franz Ferdinand spielte am 21. Februar 2025 ein energiegeladenes, ausgelassenes Konzert im ausverkauften X-TRA. (Die Fotoreportage dazu gibt es hier.) Bei Song-Klassikern wie «Michael», «Take Me Out» und «This Fire» drehte das Publikum fast durch; aber auch die Songs vom neuen Album «The Human Fear» kamen bestens an – «Hooked» zum Beispiel ist ein absoluter Banger. Vor dem Konzert sprachen wir mit Bob Hardy (Gründungsmitglied der Band) und Audrey Tait (seit 2021 dabei) über Nagelschachteln, positive Kreisläufe und überhitzte Synthesizer.
ARTNOIR: Zunächst möchte ich euch zu einem weiteren Album voller tanzbarer Musik beglückwünschen. Auf einer Skala von eins bis zehn, wie hoch war der «Lass uns zusammen in einem Raum spielen»-Faktor, als ihr dieses Album aufgenommen habt?
Bob: Zehn! Das haben wir die letzten paar Alben versucht zu tun. Ganz am Anfang, bei der ersten Platte, hatten wir dies auch gemacht. Danach haben wir es ein bisschen vergessen und die nächsten paar Alben am Computer aufgenommen und zusammengebaut. Und dann haben wir 2014 eine Platte mit Sparks gemacht, die «FFS» hiess. Wir haben intensiv geprobt und sind dann für zehn, fünfzehn Tage ins Studio gegangen und haben da alles in einem Rutsch aufgenommen. Es hat so gut funktioniert, dass wir zu diesem Prozess zurückgekehrt sind. Ich denke, das ist entscheidend, denn im Kern ist Franz Ferdinand eine Live-Band. Es ist also sehr wichtig für uns, diese Energie einzufangen.
Ich denke, das spürt man. Audrey, es gibt in fast jedem Studio eine Kiste mit Perkussionsinstrumenten. Was habt ihr von dieser Kiste für die Aufnahmen verwendet?
Audrey: Ich glaube, eines meiner Lieblingsdinge war eine Schachtel Nägel für den Song «Black Eyelashes». Der Beat kommt vom Schlagzeug, hat aber viele Schichten von Perkussion darüber. Wir wollten ein wirklich schweres, gewichtiges Gefühl auf dem ersten Schlag jeden Taktes. So kam es, dass Alex [Kapranos, Sänger der Band] und ich abwechselnd eine Schachtel Nägel spielen.
Wie war es für dich, 2021 das trommelnde Herz der Band zu werden? War es nervenaufreibend oder eher aufregend?
Audrey: Ein bisschen von beidem. Ich bin mit Franz Ferdinand aufgewachsen, als ich noch studierte. Ich kannte alle Lieder. Als ich Teil der Band wurde, war es am Anfang ein bisschen surreal, Songs zu spielen, zu denen ich früher getanzt hatte. Und jetzt mache ich den Beat, zu dem die Leute tanzen! Aber die Atmosphäre in der Band und im Team um uns herum ist einladend und freundlich, und alle sind wirklich gut in dem, was sie tun. Das hat meine Nerven beruhigt und das Spielen angenehm und aufregend gemacht.
«The Human Fear» beginnt mit dem Song «Audacious». Wie schwierig ist es, das erste Lied für ein Album auszuwählen?
Bob: Ich glaube, für dieses Album war «Audacious» von Anfang an die offensichtliche Wahl. Der Song beginnt mit einer Demoaufnahme, bei der Alex einen Riff in sein Telefon einspielt und sagt: «Los geht’s mit Riff eins». Wir haben die Aufnahme als Einleitung für das Album verwendet, was für mich ein perfekter Anfang war. Ausserdem ist es ein Song, der sich aus verschiedenen Schichten zusammensetzt: Zuerst kommt diese Lo-Fi-Demoaufnahme, danach kommt plötzlich die Band dazu, und im Laufe des Songs wird der Sound immer grösser und es setzen orchestrale Elemente ein. Als Einstieg in ein Album finde ich das perfekt.
Es gibt einen anderen Song, der etwas Filmisches an sich hat: «Tell Me I Should Stay». Wie ist der Sound dafür entstanden?
Audrey: Der ist auf ähnliche Weise entstanden wie «Audacious». Zuerst hatte Alex eine Demoaufnahme; darauf haben wir aufgebaut. Und weil der Refrain in diesem Stück fast theatralisch ist, brauchte es ein bisschen mehr Produktion, um diese Elemente zu verstärken.
Bob: Die eröffnende Klavierpassage von Julian [Corrie, Keyboarder] am Anfang ist erstaunlich. Sie ist fast eine Minute lang und sticht auf dem Album heraus, weil sie so spärlich, aber wunderschön ist. Und dann wird Audreys Schlagzeug über die Aufnahme gelegt, so dass der Song einen richtig treibenden Charakter bekommt, wenn er beginnt. Ich liebe den Kontrast zwischen dem spärlichen Intro und dem plötzlichen Beginn des Songs, bei dem es richtig zur Sache geht. Der Song ist auch ziemlich wortreich – fast wie ein Stück aus einem Musical.
Welchen Song, der keine Single ist, würdet ihr zum Reinhören empfehlen?
Audrey: Wir haben neulich genau darüber gesprochen. «Everydaydreamer» haben wir von Anfang an geliebt, schon als wir den Song geschrieben und geprobt haben. Und er kommt auch live gut an, darum ist das meine Wahl. Ich will nicht für alle sprechen, aber ich habe das Gefühl, wenn es eine weitere Single geben sollte, dann könnte das der Song dafür sein.
Bob: Finde ich auch. Ich habe immer gedacht, dass es eine Single werden würde; wir werden sehen, was passiert.
Gibt es auf der jetzigen Tour einen neuen Song, der euch überrascht hat, wenn ihr ihn live spielt? Entweder wegen der Reaktion des Publikums oder wie sehr es euch Spass macht, ihn zu spielen?
Audrey: Für mich ist es «Night Or Day». Es hat mich überrascht, dass die Leute so sehr darauf reagieren und mitsingen. Das hatten wir natürlich schon bei der «Hits To The Head»-Tour; die Fans kannten alle Songs. Ich wusste also nicht, was mich erwartet, wenn ich mit einem brandneuen Album auf Tour gehe. Aber ich habe das Gefühl, dass alle «The Human Fear»-Songs genauso gut ankommen wie die grossen Hits. «Night Or Day» ist für mich einer, bei dem man wirklich eine gute Reaktion und Energie vom Publikum spürt.
Und für dich, Bob?
Bob: «Black Eyelashes», der ziemlich stark griechisch beeinflusst ist. Alex ist Halbgrieche, und der Song hat in einem Teil griechische Lyrics. Wir spielten kürzlich in Mailand und da waren zwei Frauen in der ersten Reihe, die jeden Song mitsangen. Ich war sehr neugierig, ob sie auch bei «Black Eyelashes» mitsingen würden, also habe ich sie beobachtet – und sie taten es! Das hat mich sehr glücklich gemacht [beide lachen], denn der Song ist ziemlich seltsam; es ist kein Standard-Franz Ferdinand Song. Deshalb war ich so erfreut, dass sie ihn mitgesungen haben.
Ich vermute, diese Momente sind es, die bei langen Tourneen besonders hervorstechen. Was sind weitere Zutaten, die ein Live-Erlebnis für euch besonders machen?
Audrey: Das Gute ist, dass die Setlist nie zwei Abende hintereinander dieselbe ist. In Mailand hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass das italienische Publikum auf rockigere Songs steht. Wir haben uns also mehr auf diese Songs konzentriert, und wir konnten sehen, wie die Leute darauf abfuhren. Wir nehmen einfach das auf, was das Publikum uns gibt. Wenn das Publikum alles gibt, dann tun wir natürlich dasselbe.
Bob: 100%. Es ist das Publikum. Bei Konzerten hat man einerseits die Band auf der Bühne, die spielt – aber andererseits muss auch das Publikum mitspielen und sich beteiligen. In manchen Ländern und Orten ist die Beteiligung grösser als in anderen. Und in jeder Stadt scheint es einen ganz besonderen Veranstaltungsort zu geben, der den Menschen sehr am Herzen liegt. Wenn die Leute dahin gehen, werden die Erwartungen erfüllt – wie zum Beispiel im Barrowland in Glasgow oder in der Brixton Academy [in London]. So entsteht ein positiver Kreislauf. Die Band kommt auf die Bühne und strahlt Energie aus, die das Publikum aufnimmt; und das Publikum wiederum strahlt ihre Energie zurück an die Band. Ich mag das.
Ist auf der Bühne schon einmal etwas schief gegangen? Stromausfälle, Verbrennungen durch Pyro? Oder ist bisher alles gut gegangen?
Bob: Im Laufe von zwanzig Jahren ist schon Einiges schief gegangen. Wir haben 2007 einmal am Bonnaroo-Festival in Tennessee gespielt. Wir hatten unsere Songs auf alten Synthesizern geschrieben und diese Synthesizer auch live benutzt. Wir haben die alle mitgenommen, um auf diesem Festival zu spielen; die Hälfte unseres Sets bestand aus diesen Instrumenten. Aber dann war es so heiss, dass einfach alle ausfielen. Also mussten wir das Set auf der Stelle komplett neu arrangieren und ohne Keyboards spielen. Daraus wir haben unsere Lektion gelernt: Wir touren nicht mit alten Synthesizern.
Zum Abschluss: Was ist das beste Kompliment, das ihr je für eure Musik bekommen habt?
Bob: Wenn die Leute dir sagen, dass deine Musik ihnen durch eine schwierige Phase in ihrem Leben geholfen hat. Das ist wirklich etwas Besonderes, denn auch ich habe Musik, die ich höre, wenn es mir nicht gut geht. Dass unsere Musik denselben Effekt hat, ist fantastisch.
Audrey: Ich bekomme sehr viele Nachrichten von Leuten, die sich freuen, dass jetzt eine Frau in ihrer Lieblingsband ist. Neulich wartete nach einem der Konzerte eine Frau draussen und sagte mir: «Ich habe vor einem Jahr wegen dir angefangen, Schlagzeug zu spielen». Das ist immer sehr cool und etwas ganz Besonderes. Wenn man jemanden dazu inspiriert, tatsächlich etwas zu tun und Schlagzeug zu spielen… Und Schlagzeug macht wirklich Spass, das ist eine gute Instrumentenwahl! [lacht]
Da stimme ich voll und ganz zu. Bob, Audrey, vielen Dank für eure Zeit und eure Musik!