Datum: 1. Februar 2012
Ort: X-TRA – Zürich
Geschrieben von: Nicole Imhof
Im Gespräch mit: Alex Wesselsky + Noel Pix von Eisbrecher
Tickets für das Konzert im Z7 am 3.3.2012
Passend zu den Temperaturen waren Eisbrecher am Mittwoch auf Promotour unterwegs, um das Eis zu brechen und ihr neues Album höchstpersönlich im Club X-TRA zu präsentieren. Tagsüber standen die beiden Herren Alex Wesselsky und Noel Pix etlichen Journalisten Rede und Antwort. Unter anderem auch uns.
Und neben Musik machen, können die beiden auch gut und gerne Plaudern und dazu viel Lachen und Quatsch machen. Irgendwie verrückt die beiden. Aber das passt schon. Umso schwerer nun für mich, diesen Dialog in Zeilen zu verfassen. Ich versuch’s.
Nicole: 2009 hatten wir bereits einmal das Vergnügen miteinander für ein Interview. Damals am Festival „Muisiglanzgmeind“ in Grafenort/Engelbert. Kannst du dich daran noch erinnern? Das war vor allem viel Schlamm, der dann auch auf die Bühne geflogen kam, Regen und wenig Zuschauer.
Alex: Ja klar kann ich mich noch erinnern. Das war eines der Konzerte, wo man sich sagt, falsche Band, zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Pix: Aber nicht nur wir, auch den anderen Bands erging es nicht anders.
Nicole: Wir hatten aber zumindest ein gutes Interview.
Alex: Stimmt, das war auch ein Highlight dieses Festivals. 🙂 Ansonsten, das drum herum, das brauchen wir nicht noch einmal.
Nicole: Damals hattest du mir erzählt, dass das Jahr für euch sehr erfolgreich war und ein Ziel von Eisbrecher sei, den Osten unsicher zu machen und dort das Eis zu brechen. Ist euch das gelungen?
Alex: Hab ich das gesagt? Du verwechselst uns jetzt aber nicht mit unseren Grossvätern?
Pix: Haben wir nicht geschafft. 🙂
Nicole: Nein. Den Osten Deutschlands meinte ich.
Alex: Ach so, also nicht nur den Osten von München oder der Schweiz? Nein, daran arbeiten wir noch immer und es gibt weiterhin viel zu tun. Darum sind wir heute auch in der Schweiz. Das wäre dann der Süd-Westen. Es gibt etliche Regionen, wo wir noch so richtig reinhauen müssen. Auch in Mitteldeutschland. Definitiv also noch ein paar Orte, wo wir die Eisbrecher-Fahne aufstellen wollen. Die Mission ist noch nicht beendet – wir missionieren noch.
Nicole: Euer brandneues Album „Die Hölle Muss Warten
“ erscheint am 3. Februar und deshalb haben wir heute auch das Vergnügen, euch auf Promotour hier in Zürich zu treffen. Das letzte Album „Eiszeit“ ist bereits zwei Jahre alt, Zeit also für etwas Neues. Was ist bei eurem 5. Studio-Album definitiv anders oder könnt ihr mir ein Adverb nennen, das es am besten umschreibt?
Pix: Ein Adverb ist definitiv zu wenig, um das zu umschreiben. Was ist definitiv neu? Wir haben uns geöffnet und mit mehreren Leuten zusammen gearbeitet. Normalerweise ist das nur unser Zweierding, unser Süppchen sozusagen. Dieses Mal haben wir z.B. echte Streicher auf der Platte. Wir haben einen guten Bassisten von einer sehr bekannten Band spielen lassen und zwar von H-Blockx, der liebe Gudze (Stephan „Gudze“ Hinz). Hmm… was ist noch neu?
Alex: Falls jemand da draussen noch Jesper Strömblad kennt, er war Gitarrist bei den In Flames, der hat z.B. ein schönes Riff beigesteuert. Wir haben uns von anderen inspirieren lassen und haben andere inspiriert. Sprich, wer ne gute Idee hatte, der war herzlich eingeladen mitzumachen. Vorausgesetzt natürlich, man versteht, was Eisbrecher ist. Und das war für uns eine sehr interessante Erfahrung.
Pix: Nun gut, nach 10 Jahren muss man sich auch mal öffnen und Türen aufmachen. Und ich finde es super, wenn man diese neuen Sachen heraushören kann.
Alex: Wir haben mal ordentlich gelüftet.
Pix: Die Motten raus gelassen.
Alex: Also beim Songwriting gibt es gute Alex-Pix-Geschichten. Das was wir schon immer konnten, ist nicht schlechter geworden. Aber es gibt einfach neue Wege auf „Die Hölle Muss Warten“.
Pix: Und jetzt werden wir sehen, wie das ankommen wird. Wir müssten also dich fragen quasi.
Nicole: Stimmt 🙂 Wer ist denn die Frauenstimme, die man immer wieder hört?
Pix: Ach das ist lustig. Das ist die Tina Frank. Und da hat uns kürzlich ein Reporter dazu gefragt, der unglaublich gut recherchiert hatte und meinte, ihr seid ja jetzt bei einem Major-Label und die Tina Frank, die singt doch sonst bei Oli.P. Also das musste ich nachlesen und habe mich dabei kaputt gelacht. Denn das ist schon die gleiche Tina, doch die singt schon seit Vergissmeinnicht auf unseren Platten. Tina kommt ja auch aus München und ist einfach unsere bevorzugte Stimme, wenn es um Frauengesang geht. Und eben, sie ist schon seit Beginn auf unseren Platten dabei. Major hin oder her.
Alex: Das stimmt. Plötzlich scheinen die Leute das Gras wachsen zu hören. Kaum bist du bei einem Major, haben einige das Gefühl, dass uns jetzt gesagt wird, was wir zu tun haben. Anderen vielleicht schon, aber uns nicht. Aber ich nenne das mal das „Unheilig-Trauma“. Die Szene oder viele die sich der Szene zugehörig fühlen haben definitiv einen Schock erlitten und nun ein Trauma. Es geht darum, dass Leute ein Problem damit haben, dass sie eine ihrer Bands ziehen lassen müssen oder sie denken, dass sie diese Band nun verlieren. Was natürlich Schwachsinn ist. Aber es hören halt plötzlich auch ganz andere Menschen diese Musik und dadurch verliert man die Exklusivität. Aber keinem Fan gehört eine Band persönlich, das sollte man vielleicht auch mal lernen zu verstehen und das Unheilig-Trauma fand ich relativ interessant, wozu es Leute verleitet hat.
Und es verleitet sie dazu, was mich immer an den Nachbarn erinnert, der zwar nichts hört von dem Festival, das da am Rande der Stadt auf einer Wiese stattfindet, aber er weiss, dass eines ist. Und er lauscht so lange in die Nacht hinein, bis er etwas hört und die Polizei ruft. Keiner hört‘s, nur er, weil er’s hören will. So auch bei uns. Tina Frank, Major, Verrat, Verrat…
Nicole: Auf was muss die Hölle denn genau warten?
Alex: Auf uns!
Nicole: Wieso?
Alex: Keine Zeit, wir haben Termine!
Nicole: Du singst ja meistens mit einer relativ tiefen Stimme. Einerseits frage ich mich da, singst du wirklich so oder ist da noch ein Verzerrer im Spiel und andererseits, kann der Mann überhaupt richtig singen? Und auf dem neuen Album hört man doch, der kann’s, sehr gut sogar.
Pix: Also ich kann dir da ja mal die Wahrheit sagen. Er singt gar nicht. Ich bin das. Also sicher alles was tief ist. Alex kann ja bloss hoch singen. 🙂
Alex (trällert einwandfrei): lala lalalaalaaaaaa … also das klingt ja ganz nett, gibt aber kein ganzes Album her. Und deshalb lassen wir den Bären noch etwas einbrummen und schon sind wir fertig.
Pix: Ok, ich muss einschreiten. Der Alex singt auf diesem Album mehr, als bei allen anderen Alben davor. Hör’s dir nochmals an. Da ist wirklich nicht mehr viel „Gegrunze“ dabei.
Alex (mit beleidigtem Unterton): Ja genau, hör dir das an.
Nicole: Ist ja gut, ich hab das Album erst vor zwei Tagen zum Reinhören bekommen. Aber ich werde das auf alle Fälle nochmals machen? 🙂
Weiter im Text. Euren Sound könnte man versuchen als harten Deutsch-Rock zu bezeichnen. Sicherlich aber sehr machohaft das Ganze, gespickt mit viel Ironie und ein bisschen sexistisch.
Alex: Sexistisch? Unsere Platte? Und Machoid? Verwechselst du uns da nicht?
Pix: Welches Stück meinst du denn? „Exzess Express“?
Nicole: Ja genau, zum Beispiel. Aber egal. 🙂
Alex: Was, egal…
Nicole: Seid ihr denn Machos und wie äussert sich das? Oder Pix, wann kommt der Macho in Alex zum Vorschein und umgekehrt?
Alex: Ich war mal Macho. Aber heute bin ich zu müde dafür. Ich bin heute zu faul, um überhaupt Macho zu sein, ganz ehrlich.
Pix: Also, du hast ja mich gefragt. Und da muss ich sagen, er wär ja eigentlich schon gerne wieder ein Macho, aber das schafft er nicht mehr. 🙂
Nicole: Und Pix?
Alex: Er war’s immer, obwohl er gar keinen grossen Wert darauf gelegt hat. Und inzwischen sind wir beide in einem Alter, wo die weibliche Seite des Mannes mehr und mehr zum Tragen kommt.
Pix: Da passt dann besser „Matsche“, anstatt Macho. 🙂
Alex: Schreib „Matsche“, Klammer auf – Altershomosexuell – Klammer zu. Und vielleicht geht es ja in „Exzess Express“ um Homosexuelle Liebe? Wieso immer so kleinlich die Damen.
Nicole: War ich gar nicht, ich hab nur ehrlich gefragt. 😉
Alex: Hallo. Wir werden von einer Frau regiert. Da wird man doch n’bisschen einen raus lassen dürfen ab und zu. Denn das einzige was uns Männern noch bleibt, ist ja die Meinungsfreiheit.
Nicole: Tja, da müsst ihr Männer halt durch Taten beweisen, was ihr drauf habt.
Alex: Ach? Armdrücken, Wettschnupfen, Wettsaufen, Verstecken spielen …
Pix: Bei Verstecken spielen bin ich sofort dabei.
Alex: Schach …
Pix: Bin ich auch dabei …
Alex: Mikado …
Pix: Ne, das nervt … das geht ins Auge
Nicole: Was ist die Definition von „Verrückt“ für euch? (a.d.R. obwohl, nach dem bisherigen Interview-Verlauf, hätte ich mir diese Frage sparen können)
Pix: Wie ist denn deine?
Nicole: Durchgeknallt sein. Wenn Leute den Kopf schütteln und dich nicht verstehen?
Pix: Nicht der Norm entsprechend also.
Alex: Gegen die Norm, genau.
Nicole: Absichtlich?
Alex: Man kann aus Versehen verrückt sein oder als verrückt dargestellt werden. Bei uns ist „Verrückt“ in dem Fall ein Idealzustand. Die Verrückten haben mehr Spass. Normal ist Langweilig. Punkt.
Nicole: Das Video zu „Verrückt“ gefällt mir von der Ästhetik her sehr gut.
Alex: Findest du das nicht zu Macho?
Nicole: Nein, das passt schon.
Aber zurück zum Video. Ist das gleichzeitig ein Statement zur Wirtschaftslage von euch?
Alex: Nein. Weil das Thema schon immer aktuell war. Es geht immer nur ums Geld. Sex, Macht, Kohle. Punkt, Aus, Feierabend. Und da kann man auch mal nen Clip dazu machen. Gerade auch, wenn der Song „Verrückt“ heisst. Dass wir zufällig gerade Wirtschaftskrise haben, hat damit nichts zu tun. Es ist ja nur die Wirtschaftskrise nach der Krise und vor der nächsten Wirtschaftskrise. Doch das ist nur eine Facette und wir haben uns für diese Version entschieden bei diesem Song.
Pix: Doch leider passt die Thematik jetzt natürlich. Und wenn in zwei Jahren Griechenland an Deutschland verkauft wurde …
Nicole: Oder an die Chinesen?
Pix: Die Chinesen wollen Griechenland? Find ich gut. Ich hätte gerne zuvor noch Mykonos eingekauft.
Alex: Wie heisst Griechenland dann, wenn die Chinesen es kaufen? Gliechenland … oh Gott! Solly…
Die Schweizer kaufen’s ja nicht, oder? Ihr könntet das doch kaufen?
Nicole: Neee… zu unsicher.
Alex: Ach ja, ihr haltet euch ja immer schön raus.
Nicole: Zurück zum Thema. Welche Gipfel wollt ihr noch erklimmen mit eurem Eispickel?
Alex: Ich wollte immer schon mal auf die Schneekoppe. Kennst du die noch?
Nicole: Gibt es die überhaupt noch?
Alex: Nein. Höchster Berg Deutschlands, die Zugspitze, haben wir schon gespielt. Höchster Berg der Schweiz, das Matterhorn? (a.d.R. die Dufourspitze ist höher) Aber nach der Zugspitze haben wir das eigentlich gar nicht mehr vor. Denn hoch, ist hoch, dünne Luft ist dünne Luft und warum muss man sich so plagen? Warum kann man nicht einfach schön bequem am Zürichsee spielen?
Pix: Lugano wär noch besser.
Alex: Ja genau. 35-40 Grad. Knapp bekleidete Damen, Longdrinks, eher sowas mal.
Pix: Und nicht mehr beim Yeti.
Alex: Nö. Yeti, Machos unter sich. Ich hätt’s gerne mal schön bequem, sonnig und warm und einfach zu erreichen.
Nicole: Dieses Jahr werdet ihr als Headliner am WGT in Leipzig spielen?
Alex: Ach ja, stimmt. Als Headliner.
Nicole: Dann spielt ihr bestimmt in der Agra Halle?
Alex: Wieso, ist das nicht gut?
Nicole: Mir passt die Akustik in der Halle nicht und zu viel Gedränge. Da geh ich praktisch nie rein.
Alex: Ist das so? Dann haben die uns da also einen vergifteten Kuchen gebacken sozusagen.
Nicole: Aber ihr wart ja auch schon am WGT?
Pix: Ja klar, gefühlte 100 mal. Aber in der Agra haben wir noch nie gespielt. Meistens auf der Parkbühne und die ist wirklich schön. Nur wenn dann 3‘000 Leute rein wollen, dann macht das keinen Spass mehr.
Alex: Voll ist halt voll. Deshalb ist das einzige, was wir auf dem WGT noch spielen können, halt die Agra Halle vor 10‘000 Leuten. Und das machen wir jetzt. Übrigens, unser Tontechniker, der ist sehr gut. 😉
Nicole: Aha…?
Alex: Ja findest du nicht? Warst du denn nicht auf dem Konzert an der Muisiglanzgmeind?
Nicole: Doch. Aber ich stand dort halt aussen auf der Seite.
Pix: Du warst doch auch betrunken und hast den ganzen Schlamm geschmissen. Du warst das… 🙂
Nicole: Ok, wir müssen langsam zum Ende kommen (a.d.R. der freundliche Alex vom Label zeigt schon nervös auf die Uhr). Dein schlauer Spruch bei unserem letzten Interview lautete: „Rechnet mit dem Schlimmsten und hofft das Beste“. Hast du heute wieder einen Spruch für uns auf Lager?
Alex: Hab ich das gesagt? Hmm… „Ohne dein Einverständnis kann dich niemand dazu bringen, dir minderwertig vorzukommen“.
Pix: Das ist der Wahnsinn! Aber der ist noch viel besser… „Keine Liebe ohne Leid“. 🙂
Alex: „Kann denn Sünde Sünde …“, nein, „Kann denn Liebe Sünde sein“. Ok, „Keine Liebe ohne Leid“. Ich find das super. Zum Glück verrückt. Aber ja, solltest du dich für meinen Spruch entscheiden? Oder wir können eine Abstimmung durchführen und die Leser abstimmen lassen, welcher Spruch besser gefällt. Also, welcher gefällt ihnen besser. Pixs „Keine Liebe ohne Leid“ oder Alexs „Ohne dein Einverständnis kann dich niemand dazu bringen, dir minderwertig vorzukommen“ – von Anna Eleanor Roosevelt.
Pix: Das war abgelesen. 😉
Nicole: Abgelesen? Oh… du hast den Spruch von der Zuckertüte abgelesen!
Alex: Ja glaubst du, ich kann mir sowas merken. Das waren 4 Zeilen! 🙂
Nicole: Ich danke euch für das Interview und wünsche viel Erfolg weiterhin und bis zum nächsten mal.
Und nicht vergessen, am 3. März 2012 spielen EISBRECHER live im Z7 in Pratteln.