2. Juli 2017
Im Gespräch mit: Fredy Rotter, Chef bei Czar Of Crickets Productions.
Das Label Czar Of Crickets Productions wird nicht nur bei ARTNOIR zu einer regelmässig besuchten Anlaufstelle für neue und harte Musik aus der Schweiz, auch die umliegenden Länder und diverse Szenengrössen schauen mit ihren Ohren und Augen in Richtung Basel. Fredy Rotter, Musiker bei Zatokrev und Neo Noire, will hier aber nicht stoppen. Mit dem Czar Shop steht ein weiterer Baustein bereit, der es ermöglichen soll, Musiker, Fans und Kritiker auf andere Weise zusammenzubringen – und vor allem die Schweizer Szene der harten Musikarten endlich bekannter zu machen. Zeit, um etwas genauer nachzufragen.
Michael: War es schon immer geplant, das Label mit einem Shop zu verbinden?
Fredy: Ich plante ursprünglich, den Shop als Plattform für Labelbands zu nutzen, wo diese mit dem Verkauf von Tonträgern mehr verdienen konnten als über die gängigen Vertriebe. Uns gefiel aber die Idee, den Shop auch anderen Bands und Schweizer Labels anzubieten und somit eine Plattform mit den besten Schweizer Künstlern zu schaffen.
Verwaltest du alle Aufgaben selber, oder ist die Menge an Arbeit so gross geworden, dass sich fleissige Gehilfen in Lager und Büro tummeln?
Mein Kumpel Marko Thümmler verwaltet in Zürich den Czar Shop. Ich kümmere mich um die Warenanlieferung, Werbung und um die Kommunikation mit Bands und Labels. Auch mein super Praktikant übernimmt hier und da eine Aufgabe bezüglich dem Czar Shop.
Und reicht denn diese Arbeit aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten? Oder musst auch du weiterhin einem Brotjob nachgehen?
Mein Kerngeschäft ist das Label, davon lebe ich. Von verkauften Tonträgern über den Czar Shop kann das bisher aber noch keiner. Der Shop war jetzt lange Zeit im Aufbau und hat nun ein beeindruckendes Sortiment vorzuweisen. Neben Top Acts wie Triptykon, Celtic Frost, Darkspace, Bölzer, Mumakil, Rorcal, Young Gods, Zeal & Ardor, Navel oder Schammasch wird der eine oder andere auch auf Perlen aus dem tiefen Underground stossen. Der Shop läuft stetig etwas besser, aber du weisst ja wie es heutzutage ist mit dem Tonträgerverkauf – auf keinen Fall einfach. Wir versuchen auf verschiedene Arten, auf den Czar Shop aufmerksam zu machen – es braucht aber Zeit, bis es bei den richtigen Feinschmeckern angekommen ist.
Nach welchen Kriterien werden Bands und deren Produkte ausgewählt? Entdeckst und hörst du die Musik selber, oder vertraust du auf die Meinung anderer Musiker oder von Freunden?
Ich kenne oder entdecke sie oft selber. Es ist mein täglich Brot, Leute, Musiker und Bands zu kennen oder kennenzulernen. Ich bin an vielen kleinen oder mittelgrossen Events anzutreffen, da entdeckt man immer wieder einmal etwas Neues. Ich nehme natürlich auch immer gerne Empfehlungen entgegen.
Kann man mit einem unabhängigen Shop Grenzen überwinden und Brücken bauen? Ein Grundsatz, den du dir für den Czar Shop auf die Fahne geschrieben hast – auch, um die Schweizer Szene endlich bekannter zu machen.
Ich denke nicht, dass dies alleine mit einem Shop geht – dieser ist aber ein Teil des grossen Ganzen. Bei meiner Arbeit als Labelmanager versuche ich z.B. Bands aus der deutschsprachigen Schweiz in die französischsprachige Schweiz zu bringen und umgekehrt, sei es mit Promo oder Konzervermittlungen. Fakt ist, dass hier kaum jemand die Szene in der Westschweiz kennt, obwohl die nächste französischsprachige Schweizer Ortschaft nur etwa eine Autostunde entfernt liegt. Den Welschen geht’s umgekehrt genauso. Es wird zwar stetig besser, es sind aber immer noch nur einzelne Künstler, die es über den „Röstigraben“ schaffen. Der Shop bietet eine Übersicht über grossartige Künstler beider Seiten und deren verschiedene Szenen. Ziel ist es aber auch, den Shop ausserhalb der Landesgrenze zu promoten. Wir wollen weltweit Freaks ansprechen, die entdeckungsfreudig sind und gerade auch mit der Entdeckung von grossartigen unbekannten Schweizer Bands ihre Erfüllung finden.
Entsteht bei einem Online-Shop überhaupt eine Gemeinschaft oder ein Gefühl des Zusammenhaltes, wie man es (vor allem früher) in den Plattenläden erlebt?
Vielleicht nicht genau so wie bei richtigen Plattenläden, aber in gewisser Weise und unter gewissen Umständen kann es sein, dass es ein Gemeinschaftsgefühl unter den Künstlern auslösen kann. Der Czar Shop an sich labelt ja auch. Wir nehmen nicht wahllos Produkte von Schweizer Bands auf, wir suchen sie uns aus nach ihrer Qualität und einer Ästhetik, die zu unserem Shop passt. Das heisst schonmal, dass die Künstler eine Gemeinsamkeit haben und vereint unter einem feinschemeckerischen Deckmantel ihre Produkte der Welt anbieten – das kann durchaus ein Gefühl von Zusammenhalt auslösen.
Schön wäre es, wenn ein ähnliches Gemeinschaftsgefühl eines Tages auch bei einer breiteren Kundschaft der Fall wäre. Online ist es aber halt nicht ganz dasselbe wie in einem richtigen Plattenladen, in den man reinstiefelt, immer dieselben Leute antrifft und bis zum Ladenschluss über Musik debattiert. Wir sind aber immer wieder an kleinen Shows, Partys und Festivals anzutreffen. Man könnte sagen, dass die Leute nicht zu uns in den Laden kommen, sondern wir kommen dahin, wo die Leute an Konzerte oder Partys gehen. Sollte dies in Zukunft regelmässiger der Fall sein, kann ich mir vorstellen, dass sich daraus eine Eigendynamik entwickelt und wir bei unseren Ständen immer wieder bekannte Gesichter antreffen werden. Unterm Strich ist die Schweizer Rock- und Metalszene in allen Bereichen ja immer noch relativ überschaubar.
Gibt es bei dir denn auch so etwas wie Stammkunden? Leute, die alle Czar Of Crickets Productions-Veröffentlichungen als Abo beziehen oder blind vieles einkaufen?
Darüber habe ich leider keinen Überblick, da ich selber den Shop nicht verwalte, sondern nur beliefere. Czar Of Crickets hat aber allgemein eine sehr charmante Anhängerschaft. Das merkt man, wenn wir z.B. an den Events immer wieder dieselben Leute antreffen, die wir unterdessen kennen.
Kassetten, CD-R, Vinyl etc. – schnell sammelt sich eine grosse Menge an Material an. Wird Basel bald im Schatten einer grossen Czar-Lagerhalle verschwinden?
Ha, wer weiss, aber ich denke nicht. Wie gesagt, bei uns zählt immer noch Qualität und nicht Quantität. Wir verkaufen in der Regel auch keine Bestseller, sondern eher etwas Besonderes für den Musikliebhaber. Wir beschäftigen uns mit jeder einzelnen Band, die dazukommt. Sicher wird der Shop aber in nächster Zeit noch stark im Sortiment ausgebaut. Um den Charme zu erhalten, werden wir den Rahmen aber nicht sprengen.
Mit The Young Gods, Navel, Bölzer, Celtic Frost oder Zeal & Ardor tummeln sich bereits grosse Namen im Shop. Was darf man in Zukunft denn noch an Highlights erwarten?
Da gibt es noch so einige. Ich habe eine lange Liste, die ich am abarbeiten bin. Ich fürchte, dass sie aber tendenziell länger statt kürzer wird, da mir immer wieder neue Bands einfallen, oder ich auf neues stosse! In nächster Zeit kann man sicher weitere Tonträger z.B. von Kruger und Leech erwarten.
Und zuletzt: Wie muss man sich denn die alltägliche Arbeit bei einem Onlineshop vorstellen?
Es gibt den, der neue Ware einliest, in den Shop aufnimmt, Bestellungen entgegennimmt und abschickt und den, der den Shop bewirbt (über Inserate, Newsletter, Artikel etc.) und Ware besorgt. Wir wechseln uns ab mit Newsposts. Oft habe ich in verschiedenen Teilen der Schweiz zu tun, z.B. in Lausanne. Dazu überlege ich mir, welche tollen Bands es in Lausanne gibt, kontaktiere diese und treffe mich mit ihnen, um ihre Tonträger entgegenzunehmen. Dabei sparen die Bands Porto – das kann für viele ganz praktisch sein, da ich ja oft unterwegs bin. Das Label ist mein Kerngeschäft, den Aufbau des Czar Shops habe ich immer nebenher betrieben. So langsam aber sicher wird der Shop immer wichtiger für uns und ist definitiv zu einer wichtigen Ergänzung in unserem allgemeinen Schaffen geworden – und zu einer Einnahmequelle, die sich bald für alle Beteiligten als lohnenswert erweisen könnte.
Hoffen wir es doch! Besten Dank für deine Zeit.
Wie immer danke für dein Interesse und deinen Support. Es war mir eine Ehre.
Interview: Michael Bohli