21. April 2021
Im Gespräch mit: Michel Frutig (Festivalleiter) von Brugggore Horror Movie Festival.
Lange war die Durchführung unsicher, nun findet es statt: Das erste Brugggore Horror Movie Festival im Aargau. Ein Festival im Kino, 16 Filme während drei Tagen, viel Schrecken, Blut und Gedärme. Für die Deutschschweiz eine herrliche Angelegenheit der Untergrundkultur, welche wir uns natürlich nicht entgehen lassen konnten.
Nebst den Vorführungen zweier Filme zum Festivalstart (lest hier unsere Reportage), konnten wir mit Festivalleiter und Gründer Michel Frutig über den Anlass und die Welt des Horrorfilms sprechen.
Wer dieses Jahr nicht zu den 50 glücklichen Personen gehört, die sich einen Festivalpass ergattern konnten, der soll sich bereits heute den April 2022 vormerken, dann findet nämlich die zweite Ausgabe im Kino Excelsior statt – mit hoffentlich weniger Restriktionen.
Michael: Der Horror des Wartens ist überstanden, das Festival findet statt. Eine Erlösung?
Michel: Es war beides: Auf der einen Seite eine grosse Freude, dass alles stattfinden kann, anderseits leichte Panik, da wir so viele Dinge aufschieben mussten, entstand ein riesiger Druck, alles fertigstellen und die Fristen einhalten zu können.
50 Tickets konntet ihr anbieten – rechnet sich dies überhaupt?
Für uns macht es sehr viel Sinn. Brugggore findet zum ersten Mal statt und es war für uns extrem wichtig, dass wir es überhaupt durchführen können. Da wir für nächstes Jahr bereits weitere und grössere Pläne haben, wäre alles um ein Jahr zurückgeworfen worden. Da wir durch die Kulturförderung Gelder gesprochen erhielten, war die Limitierung auf 50 Festivalpässe ok, auch wenn nun leider die Abendkasse wegfallen muss. Kostendeckend bleiben wir aber, auch, da sehr viele Helfer*innen selbstlos oder für kleines Entgelt mitgearbeitet haben. Seid dies der visuelle Auftritt, das Merchandise oder dergleichen.
Ein Horrorfestival in Brugg – warum hier?
Ich wohne in Brugg. (lachen) Als ich das Kino Excelsior kennenlernte, fand alles praktisch von selbst zusammen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ein Festival in dieser Umgebung mit der Altstadt und den zahlreichen Bars und Restaurants perfekt funktioniert – man bleibt für das gesamte Wochenende und geniesst den Ort. Aus diesem Grund war es mir lieber, das Festival hier stattfinden zu lassen, als beispielsweise in Zürich, einer Stadt, in der bereits viele Events passieren.
Wie kam euer Team zustande, seid ihr alle Film- und Horror-Freaks?
Unterschiedlich. Daniel Steffen, unser Programmdirektor, ist ein langjähriger Freund von mir und steter Begleiter beim NIFFF. Das Festival in Neuchâtel fand letztes Jahr nicht statt und wir überlegten, selbst etwas auf die Beine zu stellen, ursprünglich bloss für den privaten Rahmen angedacht. Romana Hegi, meine Freundin, ist das Organisationstalent, Salomé Brozman arbeitet am selben Ort wie ich und ist ein totaler Horror-Film-Freak. Da sie diverse Sprachen fliessend spricht, war sie beim Booking eine grosse Hilfe. Von Seiten Kino hat uns Stephan Filati von Beginn an stark unterstützt und dank seinem Knowhow konnten viele Anfängerfehler umschifft werden.
An drei Tagen werden 16 Filme gezeigt, ein ziemlich dichtes Programm.
Das Programm sah ursprünglich anders aus, wir wollten später am Tag beginnen und dafür die gesamte Nacht hindurch Filme zeigen. Das wäre perfekt für Leute gewesen, die das Festival nur einen Tag besucht hätten. Durch die aktuell geltenden Richtlinien und Restriktionen mussten wir den Ablauf allerdings nach vorne schieben und beginnen früher am Tag. Leider bedeutete dies, dass wir zwei Filme aus dem Programm streichen mussten. Nächstes Jahr wird der Umfang auf jeden Fall erweitert.
Nebst Klassikern wie „Texas Chainsaw Massacre 2“, „Geisterstadt der Zombies“ oder „Maniac“ findet man die New Wave Of French Terror mit „Martyrs“ und „Frontier(s)“, sowie absurde Produktionen wie „Sky Sharks“. Wie passierte die Auswahl?
Bei unseren Retrospektiven „Gutted Millennias“ und „Rotten Meat“ haben wir uns ausgetobt und anhand unserer Wunschlisten und Prioritäten angefragt, ob die Filme rechtlich und in guter Qualität verfügbar waren. Im Bereich der neuen Produktionen war es eher schwierig, da die letztjährige Kinosaison schwach ausfiel. Vieles ist nicht erschienen, wurde nicht produziert, oder bereits im Schnellverfahren an Streamingdienste verkauft. Da kam es immer wieder vor, dass Wunschfilme wegfielen. Darum ist es nun ein kleines Flickwerk, trotzdem mit einigen Filmen, die in der Schweiz noch nicht gezeigt wurden.
Wobei der Kinogenuss anders ist, als ein Film im Wohnzimmer zu streamen.
Das Problem lag darin, dass die Rechte für Filme, welche sich bei Streaming-Anbietern befinden, praktisch nicht mehr erhältlich sind. Die setzen sehr stark auf Exklusivität.
Welches sind deine persönlichen Favoriten?
Zwei Filme am diesjährigen Brugggore habe ich noch nicht gesehen. „Red Screening“ und „Benny Loves You“, wobei ersterer meine grösste Hoffnung ist. Ein Slasher aus Uruguay, der in einem Kino spielt – alle Zutaten klingen grossartig.
Welches ist denn der beste schlechteste Film?
In dem Bereich ist mein absolutes Highlight in diesem Jahr „Breeders“. Der beinhaltet alles, was das Herz begehrt: Trash, schlechte Schauspieler*innen, sinnbefreite Story mit unglaublich miesen Dialogen, dazu viel Gore und Splatter.
Der Horrorfilm und die Schweiz – eine eher schwierige Beziehung. Kämpft man als Festival gegen Vorurteile?
Unser Festival ist nicht zur Aufklärungsmission entstanden, wobei dies in der Grundhaltung sicherlich ein persönlicher Wunsch darstellt. Wenn man auf das erwähnte NIFFF schaut, bei dem jährlich tausende von Leuten zusammenkommen, um in der Romandie die abgefahrensten Filme zu schauen, kann man nicht unbedingt von einem grossen Defizit sprechen. Bloss wird die Deutschschweiz oft ausgelassen, auch bei der Kinoauswertung. Da ist es unser Anliegen, in dieser Region eine Plattform anbieten zu können.
Welches wäre dein absolut perfektes Szenario für einen Horrorfilm?
Schwierig, im Bereich des Horrorfilms gibt es so vieles. Was ich sagen kann: Für das Festival durfen wir uns als Vorabscreener den taiwanischen Film „The Sadness“ anschauen – und das wird die Horror-Granate des Jahres. Zwar können wir ihn nicht zeigen, bestimmt wird der Film aber nun im Verleih ausgewertet und eventuell nächstes Jahr an unserem Festival laufen. Hohes Tempo, viel Blut, extreme Aufnahmen und ein Pandemie-Szenario, ein Knaller.
Gutes Gelingen für die erste Ausgabe und bis nächstes Jahr.
Danke. Es wird auf jeden Fall ein tolles Wochenende, trotzdem freue ich mich bereits auf die zweite Auflage, wenn man sich freier bewegen darf, Getränke und Knabbereien konsumiert werden können und der soziale Austausch wieder verstärkt stattfindet.
Interview: Michael Bohli