20. August 2017
Im Gespräch mit: Ben Bridwell, Sänger und Gitarrist bei Band Of Horses
Band Of Horses aus Seattle verwöhnen uns seit dreizehn Jahren mit ihrer Virtuosität, mit Songs, denen nie die Ruhe zu fehlen scheint, einem Mal eben im Vorübergehen noch den Arm um die Schulter zu legen, Songs, die einem die Worte in den Mund legen, wenn man sie nach den ersten Dates nicht zu finden scheint, Songs, die Begleiter auf einem einsamen Langstreckenflug sind. Sänger und Gitarrist Ben Bridwell bildet die einzige Konstante der Band, die in den vergangenen Jahren von vielen Musikerwechseln geprägt war. Vor dem Auftritt bei den 42. Winterthurer Musikfestwochen plaudert der sympatische Musiker im Interview über die Schwierigkeit, Familie und Band unter einen Hut zu bringen, über das Maskieren seiner Worte und darüber, dass man beim Songschreiben auch mal einen Blick unter die Motorhaube werfen muss.
Sarah: Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Bist du schon nervös wegen eurem Auftritt später oder ist es mehr Vorfreude?
Ben: Beides, ich denke, es ist ein guter Mix von beidem.
Ich habe mir euren Tour-Plan angesehen, ihr seid ja ziemlich beschäftigt.
Ja, wir haben noch ziemlich viel vor dieses Jahr, aber das ist gut, ich meine – die Menschen brauchen Arbeit, oder?
Habt ihr da auch Zeit, euch die Länder und Städte, in denen ihr spielt, anzusehen? Oder seid ihr zu sehr beschäftigt mit Reisen und der Vorbereitung für die Shows?
Wir hatten einen guten Tour-Start, bei dem wir nicht so viele Konzerte hintereinander hatten, wir hatten sogar einige Tage frei – also, zwei Shows, einen Tag frei, zwei Shows, Tag frei… Wir sahen das erste Mal Wien, was sehr schön war, wir waren noch nie da, in Österreich – das war ziemlich cool.
Wie bereitet ihr euch auf solche langen Touren vor?
Versuchen, etwas Gitarre zu spielen … Ich habe vier Töchter Zuhause, und es ist so hektisch Zuhause. Ich spiele ein bisschen Gitarre, damit meine Finger nicht gleich anfangen zu bluten, wenn wir mit den Zweistundenshows loslegen, aber nichts kann dich wirklich darauf vorbereiten, du musst da einfach hin und es tun. Ich glaube, du musst es einfach versuchen und auf das Beste hoffen – das ist das, was wir jetzt machen.
Was ist denn das Tollste am Touren?
Das Tollste? Hm, die Möglichkeit zu haben, uns selbst zu übertreffen, die Studioversion unserer Songs zu übertreffen, mit Leuten in Verbindung zu treten – das ist das grösste Hochgefühl, dass man die Erwartungen der Leute übertreffen kann – hoffentlich. Das ist der beste Teil, du kannst die Songs leben und neu kreieren, und vielleicht sogar besser, als die Studioversionen. Das ist das Ziel.
Nun, was ist denn das Schwierigste?
Weg sein von Zuhause, weg sein von der Familie. Das ist wie eine neue Challenge, jeden Tag. Zu versuchen, einen Fuss in diesem Leben zu haben, und einen Fuss im anderen Leben – Zuhause und in der Realität verankert. Das ist die härteste Challenge.
Und wie gehst du damit um?
Wie gesagt, jeder Tag ist eine neue Challenge, man muss verfügbar sein, seinen Kopf nicht so weit im eigenen Arsch haben, um nicht verfügbar zu sein für meine Mädchen Zuhause. Wenn ich wüsste, wie ich es anstellen muss, wäre es nicht real. Du musst irgendwie jeden Tag so nehmen, wie er kommt.
Nun, euer letztes Album ist letzten Sommer erschienen. Wodurch wurdet ihr inspiriert beim Schreiben und Recorden der Songs?
Ich war inspiriert, eigentlich durch dieses gleiche Ding – Versuchen, kreativ zu sein und versuchen, in der Realität verankert zu sein, die ist, Elternteil von vier Töchtern zu sein. Und inspiriert durch den Produzenten, der uns geholfen hat, das Album zu machen, Jason Lytle der Band Granddaddy. Ich bin ein grosser Fan von ihm, er hat dabei geholfen, eine Menge aus uns rauszubringen, was sehr inspirierend war und die Messlatte für uns gehoben hat, denke ich. Ja, diese zwei Sachen: Realität und ein neuer Partner.
Oftmals, wenn Menschen Songs hören, dann schaffen sie eine eigene Bedeutung der Songs –
Ja, Gott sei Dank!
Wie gehst du damit um? Vielleicht unterscheidet sich dies ja von deinem Gefühl, als du den Song geschrieben hast, oder von der Bedeutung, die er für dich hat.
Das ist irgendwie der Punkt, finde ich. Als Musikfan stört es mich nicht, meine eigene Meinung zu haben, woher der Song kommt, weil es zu deiner Geschichte wird. Wenn du einen Song liebst, dann entspricht das so genau deinen Erfahrungen, dass du die Perspektive der Person (die den Song geschrieben hat) nicht brauchst, zeitweise. Ich versuche manchmal absichtlich, die Art, wie ich Worte singe, zu maskieren, sodass sie ein bisschen verschleiert, vernebelt werden, sodass sie die Grenzen der Sprache überschreiten können und zu den Gefühlen einer anderen Person werden. Das ist es, was man will. Das liebe ich, das ist mein Ziel, die Dinge etwas zu verschleiern, sodass sie nicht so bekenntnishaft sind, dass es zu meiner Geschichte wird, ich will, dass es zur Geschichte anderer wird.
Hast du jemals einen Song geschrieben, der sich zu persönlich angefühlt hat?
Ja, ja, ich erinnere mich … Einer unserer grössten Songs trägt den Titel „No One’s Gonna Love You“. Er ist von unserem zweiten Album, und ich erinnere mich daran, mich davor gefürchtet zu haben, die Worte wirklich zu schreiben, denn es war ein bisschen bekenntnishaft, und ich erinnere mich daran, gedacht zu haben: „Nun, fuck, was würde Al Green, oder Otis Redding, oder jemand anderes, ein Soulsänger, was würde ein Soulsänger –“ – die hätten keine Angst, dies zu tun. Es macht dich fast mehr – Du kannst das Gefühl haben, ein bisschen zu sentimental zu sein, aber ein richtiger Mann, der fürchtet sich nicht davor, diese schwierigen Dinge zu sagen, die alltäglichen Emotionen. Ich erinnere mich daran, gedacht zu haben: „Nein, wenn du ein richtiger Mann bist, dann drückst du dich selber aus, mutig.“
Und jetzt, arbeitet ihr an neuen Sachen?
Ja, ja, wir haben ein paar Daten festgelegt für die ersten Aufnahmesessions für das neue Album, gegen Ende des Jahres, im November. Und ja, ich denke, ich habe ein ziemlich gutes Verständnis davon, was ich tun will. Man weiss es noch nicht wirklich, bis man dann tatsächlich da reingeht und beginnt, das alles unter die Lupe zu nehmen, aber nun ja, ich freue mich sehr darüber. Wir werden mit demselben Partner arbeiten, Jason, auf unserem nächsten Album, und einfach mal sehen, was funktioniert und was nicht. Aber ich freue mich sehr auf, nun, mehr ein Begleitalbum zum letzten. Nun, wir werden es sehen, es verändert sich immer, wir sind normalerweise die Letzten, die es erfahren. Man muss zuerst reinkommen, unter die Motorhaube schauen oder so, um zu sehen, wie der Motor der Songs läuft. Nun, ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir einige gute Songs bereit haben, um daran zu arbeiten.
Okay, das ist toll, ich freue mich darauf!
Ich mich auch!
Interview: Sarah Rutschmann