25. April 2018
Im Gespräch mit: Robyn Trachsel, Gitarristin und Sängerin von ASBEST.
ASBEST – das Trio aus Basel hat mit seiner ersten EP „Interstates“ gezeigt, das klanglicher Krach, extreme Energie und rohe Musik einfach nur grossartig sind. Kein Wunder also, darf die Gruppe in diesem Jahr am wunderbaren Czar Fest in der Kaserne Basel auftreten. Gemeinsam mit Bands wie Nevborn, Abraham oder Triptykon werden sie den Freitag bestreiten und uns alle wegblasen und intellektuell anregen.
Mehr Informationen zum Czar Fest, welches vom 11.-12.05.2018 stattfindet, findet ihr hier, Tickets gibt es bei Starticket.
Michael: Eure Musik ist roh und brutal direkt. Muss bei euch vieles raus, brodelt es in eurem Inneren?
Robyn: Da gibt es schon eine grundlegende Unzufriedenheit und auch eine gewisse Zukunftsangst bzw. -pessimismus. Die heutige Welt mit ihrem allgegenwärtigen Konkurrenzdruck, ihrer Verwertungslogik und Kategorisierungszwang entspricht leider immer weniger unseren Idealen und sorgt bei uns täglich für Irritation und Unverständnis. Als Transfrau musste ich persönlich auch auf einer sehr emotionalen Ebene immer wieder erfahren, wie unsere Gesellschaft mit Menschen umgeht, die nicht den gängigen Vorstellungen und Normen entsprechen.
In unserer Musik geht es darum immer um das Verhältnis zwischen Mikro- und Metaebene. Die Art und Weise, wie auf meine Person bzw. meine „Abweichung“ reagiert wurde, ist ja nur stellvertretend für ein allgemeines Muster einer strukturellen Repression. Es soll das Allgemeine durch das Konkrete kritisiert werden. Und das möglichst ehrlich und ungeschönt.
ASBEST trägt eine gewisse Aggressivität im Namen. Wie kam es denn dazu?
Wir haben lange nach einem Namen gesucht, welcher prägnant diese kritische und unzufriedene Haltung ausdrückt. Als wir dann auf den Namen ASBEST gestossen sind, hat es sich sofort richtig angefühlt. Nebst dem, dass der Name mit seinen Zischlauten ziemlich bissig klingt, verkörpert er auch inhaltlich unsere Position. Als Dämmmaterial wurde Asbest über Jahrzehnte verbaut und ist somit Teil der Struktur vieler Gebäude. Seit 1990 ist seine Verwendung in der Schweiz verboten und man versucht heute unter grossem Aufwand, das verbaute Asbest wieder aus der Bausubstanz zu entfernen, wobei es genau in diesem Moment seine schädliche Wirkung entfaltet. Das Bild, dass sich das Asbest quasi als inhärenter Widerspruch und Störenfried gegen seine Entfernung wehrt, hat uns sehr gefallen.
Das Gender-Thema wird aktuell stark in der Szene diskutiert, und teilweise auch in eurer Musik. Ist dies auch ein wichtiger Punkt an euren Konzerten?
Schlussendlich soll es bei ASBEST um die Musik und eine Grundhaltung gehen, und nicht primär um Geschlecht oder sexuelle Orientierung. Klar, wir machen uns viele Gedanken um Gender, Feminismus und LGBT*-Themen, weil die Realität noch weit vom Optimalzustand entfernt ist und wir davon auch persönlich betroffen sind. Aber wir verstehen uns nicht primär als queer-feministische Band, dafür ist unser Fokus zu allgemein. Diese Themen schwingen aber sicherlich immer mit, da es bei uns ja immer um Kritik an repressiven Strukturen geht.
Bei Konzerten wird das Persönliche dann aber doch politisch. Schon alleine der Fakt, dass wir in einer geschlechtlich noch sehr einseitig geprägten Szene einen gewissen „novelty factor“ mit uns bringen, zeigt auf, dass auch in der Musikwelt noch einiges passieren muss. Insofern: Schwestern, gründet Bands, macht Lärm und scheisst darauf, was von Euch erwartet wird!
Mit nur einer EP am Czar Fest in Basel zu spielen ist ein rascher Aufstieg. Wie fühlt es sich an?
Absurd. Schön. Absurd schön! Als wir angefragt wurden, mussten wir zuerst etwas lachen, weil wir es irgendwie nicht ganz glauben konnten. Diese Ungläubigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die noch junge Bandgeschichte. Uns sind schon einige gute Dinge widerfahren, die wir selbst nicht ganz nachvollziehen konnten. Aber wir versuchen, nicht zu viel darüber nachzudenken, aus Angst, die Magie könnte sich verflüchtigen. Wir sind sehr dankbar für all die Unterstützung, das positive Feedback und die schönen Erlebnisse, die wir bisher erfahren durften und nehmen es als Ansporn, weiter unseren Weg zu gehen. Wir hoffen bloss, dass wir am Czar Fest eine gute Show spielen und neben diesen illustren Namen nicht gänzlich untergehen.
Könnt ihr schon etwas zum kommenden Album verraten?
Wir waren vorletzte Woche in den Malthouse Recording Studios in Bristol und haben die Aufnahmen zu unserem ersten Album gemacht. Diese werden im Moment gemischt. Das Album soll das, was bei der „Interstates“-EP angefangen wurde, weiterführen. Es wird wohl ein dichtes und dringliches Album. Das hat einerseits damit zu tun, wie unser „Sonic Wizard“ Dominic Mitchison (u.a. Spectres, LICE) es aufgenommen hat. Andererseits war das letzte Jahr für mich sehr intensiv und nicht immer ganz einfach. Das hat sich auch im Songwriting niedergeschlagen.
Das Album wird Anfang Herbst erscheinen und wir dürfen für die Veröffentlichung voraussichtlich mit sehr tollen Menschen zusammenarbeiten. Da werden wir wohl bald schon mehr verraten dürfen.
Was erwartet ihr vom zweitägigen Czar Fest?
Gute, laute Musik, gute Menschen, spannende neue Bekanntschaften und Gespräche – und hoffentlich ein gutes Konzert unsererseits.
Zwei Tage voller lauter Musik – werdet ihr euch auch unter die BesucherInnen mischen?
Selbstverständlich! Das lassen wir uns nicht entgehen.
Welche Band darf man auf keinen Fall an diesem Festival verpassen, oder welche sollte man sich unbedingt anhören?
Bei dem Line-Up ist das eine äusserst schwierige Frage. Auch wenn ich nicht alles kenne, werde ich versuchen, möglichst alle Konzerte zu sehen. Ich lasse mich sehr gerne überraschen.
Abraham werde ich mir sicher anhören – Lausanne hat ja im Moment auch einiges zu bieten. Triptykon mit dem legendären Tom Gabriel Fischer ist auch ein Muss. Am Samstag ist eigentlich alles Pflicht: Angefangen bei den genialen HEX, gefolgt vom Basler Block mit Krane, Echolot und Neo Noire und dem Abschluss mit Reverend Beat-Man And The New Wave. Dazwischen werde ich auch noch meine Neugier beim ominösen Special Guest stillen. Es wird ein intensives Wochenende.
Welches ist die geheime Zutat, die aus der Stadt Basel eine solch umtriebige Musikstadt gemacht hat?
Wir haben mit dem RFV und anderen Institutionen eine exzellente Musikförderung und viele engagierte Menschen. Für die Gitarrenmusik im Speziellen muss man wohl, etwas kontraintuitiv, der Elektro-Welle der letzten Jahre ein Kränzchen winden. Diese hat den Rock aller Genres in den Untergrund getrieben und vieles an Konzertinfrastruktur eingehen lassen. Diese Situation hat einerseits dazu geführt, dass viele Basler Bands im härteren Spektrum sich nicht daran orientiert haben, was hip oder kommerziell erfolgreich ist und haben einfach ihr Ding gemacht. Daraus entstand vieles an authentischer und spannender Musik. Andererseits rückte man näher zusammen und unterstützt sich gegenseitig ohne Hintergedanken und über Genregrenzen hinweg. Daraus hat sich ein gut funktionierendes Netzwerk aus VeranstalterInnen, Bands, KünstlerInnen und KonzertgängerInnen entwickelt. Mit dem internationalen Erfolg von Bands wie Zeal & Ardor kehrt langsam das Interesse der Masse für die hiesige Lärmlandschaft zurück und es steht schon eine kleine Welt bereit, die es sich zu entdecken lohnt.
Vielen Dank für eure Zeit und Musik.
Vielen Dank für diese Möglichkeit.
Interview: Michael Bohli