ARTNOIR11 – Der Fragebogen
Ausgefüllt von: Fabienne Schmuki von Irascible.
Zum elften Geburtstag von ARTNOIR haben wir diversen Frauen aus dem Schweizer Musikgeschäft einen Fragebogen zur Bestandsaufnahme zugestellt.
Eine Übersicht zu allen Teilnehmerinnen gibt es hier.
Fabienne Schmuki hat Kommunikation, PR und Kulturjournalismus studiert. Im Jahr 2009 landete sie über Umwege bei der Musikagentur Irascible Music. Heute ist sie Co-Geschäftsführerin von Irascible Music und des Labels Irascible Records, Gründungs- und Vorstandsmitglied von IndieSuisse, Kommissionsmitglied bei der Arvore Stiftung, war vier Jahre lang Vorstandsmitglied beim RFV Basel und Kommissionsmitglied bei Popkredit der Stadt Zürich. Sie beobachtet das (Schweizer) Musikschaffen engagiert aus verschiedenen Perspektiven und besucht fürs Leben gern Konzerte.
ARTNOIR: Unser Musikmagazin wird elf Jahre jung. Was war für dich in diesem Alter wichtig?
Fabienne: Oh, elf Jahre – da hatte ich, durch und durch Mädchen, drei Passionen: Pferde, Ballett und Querflöte spielen. Rückblickend fällt es mir teilweise gar nicht mehr so leicht, mich mit diesen „girlie girl“-Hobbies in Verbindung zu bringen. Aber damals war das mein Kosmos!
Wohin wird sich die Musikwelt – oder allgemein unsere Gesellschaft – im nächsten Jahrzehnt bewegen?
Hm. Also eine Gesellschaftsprognose traue ich mir nicht zu, was die Musikwelt angeht: Mein optimistisches Ich sagt: Zu mehr Vielfalt, mehr Diversität, mehr Musik aus sämtlichen Landesteilen, mehr Verbreitung (und Möglichkeiten), mehr potentielles Publikum.
Mein pessimistisches Ich sagt: Zu mehr Flüchtigkeit, schwindender Aufmerksamkeitsspanne der Zuhörer*innen, weniger Bereitschaft für Musik (Kunst allgemein) zu bezahlen, überalternde Musikkonsument*innen.
Wie weit planst du selber voraus – eine gesamte Dekade oder ist alles Zufall?
Oh, so wenig wie möglich. Ich bin keine gute langfristige Planerin. Ich liebe es, im Moment zu reagieren, oder Ideen sofort umzusetzen. Das liegt weniger an der Geduld als viel mehr am Unvermögen, weit voraus zu planen. Dazu bin ich viel zu praktisch veranlagt. Lange Planungsphasen bremsen meinen Energiefluss. Aber Zufall ist deswegen lange nicht alles, ich bin einfach ein Fan von kurzfristiger Planung.
Was waren deine Highlights in den vergangenen Jahren?
Musikalische Highlights:
Jedes Jahr die Bad Bonn Kilbi, das Le Guess Who? Festival, und früher (als es noch existierte) das All Tomorrow’s Parties Festival; Kevin Morby am PALP diesen Sommer, Nick Cave am Montreux Jazz Festival 2018, und Dutzende von tollen Konzerten von Künstler*innen, die mich inspirieren.
Allgemeine Highlights:
Beruflich: Irascible Music gedeihen zu sehen und die Gründung des Labels Irascible Records. Privat (Achtung, kitschig aber wahr): mich jeden Tag neu in meinen Freund verlieben zu dürfen, das Heranwachsen meines Kindes im eigenen Körper zu spüren, das in wenigen Wochen zur Welt kommen soll.
Die Schweizer Musikszene – an was denkst du, wenn du diesen Begriff hörst?
Kurz und knapp: An Familie, Freundschaften, Talent, Vielfalt, Kollegialität, Mehrsprachigkeit, Engagement, Austausch.
ARTNOIR versucht, die Kunst der Musik in ihrer grossen Vielfalt abzubilden. Was fehlt für dich in unserem Magazin?
Ich fände es anmassend, hier aufzuzählen, was mir fehlt. Ich bin einfach froh, dass ihr macht, was ihr macht, und dies schon seit elf Jahren, ehrenamtlich und mit so viel Herzblut und Freundlichkeit. Danke!
Welche Stilrichtungen / Genres oder Künste liegen dir besonders am Herzen?
Grundsätzlich bin ich Freundin von Gitarrenmusik. Das heisst jetzt alles und nichts, oder? Neuer Versuch: Ich mag Musik, die aus dem Bauch kommt; Musik, die mich ganz zu mir selber bringt; Musik, die mich das Rundherum, das Gestern und das Morgen vergessen lässt; Musik, die nichts muss, sondern nur will; Musik, die bricht, und nochmals bricht; Musik, die eine Reaktion in mir auslöst, die kann positiver oder negativer Art sein. Aber bestimmt keine Musik, die mich gleichgültig lässt.
Zu guter Letzt: Was sollte endlich gesagt werden?
Um es mit Doomenfels’ Worten zu sagen: „Wahrschinli isch scho längschtens alles gseit, aber nonig vo allne.“
Vielen Dank, dass du zur Vielfalt in der Musik und dem Leben beiträgst.
Interview: Michael Bohli