ARTNOIR11 – Der Fragebogen
Ausgefüllt von:
Claire Braun, Label- und Promotion Manager Musikvertrieb AG von Musikvertrieb.
Fotografie von Sofia Gyseler.
Zum elften Geburtstag von ARTNOIR haben wir diversen Frauen aus dem Schweizer Musikgeschäft einen Fragebogen zur Bestandsaufnahme zugestellt.
Eine Übersicht zu allen Teilnehmerinnen gibt es hier.
Claire Braun ist die lokale Vertreterin internationaler Indie-Labels ([PIAS], Beggars Group, Mascot Label Group, Believe) in der Schweiz. Sie stellt den Link von Label und dazugehörigen Künstlern zu den Schweizer Medien und Radios dar.
Ebenso spielt sie Bass bei The Raw Soul.
ARTNOIR: Unser Musikmagazin wird elf Jahre jung. Was war für dich in diesem Alter wichtig?
Claire: Mit 11 Jahren war mir mein Znüni unheimlich wichtig. Ich wollte mehr Schoggi, weniger Rüebli. Und gute Noten. Ich war damals bisschen ein Streber – eine Maximalistin. Ich hatte schon früh begonnen, Klavier zu spielen. Meine Konzerte sollten fehlerfrei sein und wenn möglich, auswendig vorgetragen. Schon damals hatte ich sehr hohe Ansprüche an mich selber.
Wohin wird sich die Musikwelt – oder allgemein unsere Gesellschaft – im nächsten Jahrzehnt bewegen?
Mit der Digitalisierung ist vieles bereits sehr schnelllebig geworden. Ich vermute und befürchte daher, dass sich dies in den nächsten Jahren noch weiter verstärken wird, und, dass gezwungenermassen vermehrt auf Quantität gesetzt werden muss. Im Musikbereich sowie auch in der Gesellschaft.
Auf der anderen Seite erhoffe ich mir, dass durch diese Schnelllebigkeit der Mut zum Experimentieren und zu gewagter musikalischer und künstlerischer Akrobatik weiterwächst und sich dadurch Musik in eine neue Richtung entwickeln kann, welche wiederum vielen neuen Künstler*innen einen Platz in der Szene verschafft.
Wie weit planst du selber voraus – eine gesamte Dekade oder ist alles Zufall?
Ich plane nicht eine Dekade voraus, setze mir jedoch gerne kurzfristige und längerfristige Ziele. Diese bewegen sich oft innerhalb von fünf Jahren. Ich nehme mir jedoch immer wieder vor, mich ein bisschen öfter vom Zufall und dem Lauf des Lebens leiten zu lassen. Man weiss nie, hinter welcher Ecke die schönsten Überraschungen lauern.
Was waren deine Highlights in den vergangenen Jahren?
Mein verrücktes Jahr in Berlin, mein intensives Studium und dessen Abschluss im Sommer 2019. Meine Band, The Raw Soul, zu der ich seit 2018 gehöre und mittlerweile meine Familie ist. Die vielen Konzerte, die ich miterleben durfte. Meine Reisen nach Marokko, Südspanien, Südafrika, Norwegen, die meinen Horizont erweitert haben. Meine Zeit in der Noisey / VICE Redaktion, in der ich meine gewagtesten Ideen ausleben konnte. Und natürlich all die tollen Menschen, die ich während der letzten Jahre kennenlernen durfte.
Die Schweizer Musikszene – an was denkst du, wenn du diesen Begriff hörst?
Einerseits: „Struggle“. Andererseits: „Kampf“. Ich glaube, es ist den meisten bewusst, dass die Schweizer Musikszene ein hartes Pflaster ist. Schwindende Medien und Plattformen trotz stetig wachsender Anzahl Bands, Artists, Labels, Releases. Dennoch bieten Medien wie ARTNOIR dieser Herausforderung die Stirn und damit auch alle, die sich in der vielfältigen Schweizer Musikszene durchboxen.
ARTNOIR versucht, die Kunst der Musik in ihrer grossen Vielfalt abzubilden. Was fehlt für dich in unserem Magazin?
Das Design der Webseite könnte etwas interaktiver und „farbiger“ sein, um diese Vielfalt zu repräsentieren. Aber das ist Nebensache.
Die Berichte, Interviews, Rezensionen und Fotoreportagen sind alle sehr spannend und einfach zu lesen. Für lokale Bands / Künstler*innen wäre es vielleicht cool, die Berichte etwas lebensnaher zu gestalten. „Wir waren mit XX unterwegs“-mässig. Ich denke, so etwas würde sich anbieten. Dies könnte natürlich auch mit internationalen Bands / Künstler*innen gemacht werden. Statt Interview mal einen Night-Out, zum Beispiel?
Welche Stilrichtungen / Genres oder Künste liegen dir besonders am Herzen?
Indie-Rock, Indie-Pop, Indie-Folk, Neo-Soul, Rock, Metal, Blues, Funk, Jazz, Techno. Ich mag besonders Künstler*innen wie Tom Misch, Black Pumas, Michael Kiwanuka, All Them Witches, Phoebe Bridgers, The National, Land Of Talk, Algiers, Jon Hopkins, Perfume Genius, Half Moon Run, Aurora, … (diese Aufzählung könnte noch ewig weitergeführt werden).
Zu guter Letzt: Was sollte endlich gesagt werden?
Ich danke euch von Herzen, dass ihr seit 11 Jahren die Schweizer Musikszene so aktiv und leidenschaftlich unterstützt. Dass bei euch die Qualität, trotz dem quantitätsgesteuerten Markt niemals beeinträchtigt wurde und, dass ihr euch mitten in den Kampf der Musikwelt geschmissen habt, um zu beweisen, dass die Schweiz sehr wohl etwas kann. Vielen Dank für die harmonische und unkomplizierte Zusammenarbeit. Macht unbedingt weiter so!
Vielen Dank, dass du zur Vielfalt in der Musik und dem Leben beiträgst.
Interview: Michael Bohli