18. März 2019
Im Gespräch mit: René Scherer (Schlagzeug), Livio Meister (Bass), Jonas Nissen (Gitarre) und Felix Baumann (Gesang und Gitarre) von A River Crossing.
Für eine Band kann das Gute überall liegen, darum ist es sinnvoll, in die Ferne zu schweifen. A River Crossing aus Luzern wagen nach bereits gespielten Touren durch das nahe Ausland einen weiten Sprung: 13 Auftritte in Russland, von Moskau über Kurgan nach Penza. Das macht neugierig und ist ein perfekter Grund, um mit diesen vier Musikern ein Gespräch über die Hoffnungen und Ziele zu sprechen. Zum ersten Teil dieses Interviews trafen wir die singende Post-Rock-Gruppe in ihrem Proberaum in Littau, zwischen Betonwänden und Lavalampen.
Live konnten wir das Quartett bereits zwei Mal im Dynamo in Zürich erleben. Als Support von Tttng und Teil des bergmal-Festivals.
Michael: Bald reist ihr in die Ferne für mehrere Konzerte. Was wisst ihr über Russland?
Felix: Das Land ist riesengross, Moskau ist der Mittelpunkt, aber so viel weiss ich persönlich nicht darüber.
Jonas: Sehr beeindruckt war ich, als ich all unsere Tourstationen auf Google Maps eingezeichnet habe und dadurch die Grösse in Relation zu Europa setzen konnte. Wir werden viele Hunderte von Kilometern weit fahren und danach nicht einmal die Hälfte des Landes bereist haben.
Felix: Wenn man Konzerte in der Schweiz oder dem näheren Ausland spielt, dann sind das viel kleinere Distanzen als in Russland. Das ist auf jeden Fall am stärksten aufgefallen.
Livio: Ein guter Freund von mir, der im Austauschsemester dort war, hat gesagt, die Leute seien sehr freundlich und hilfsbereit. Auch tief im Dorf.
Warum gerade dieses Land?
Jonas: Als wir einmal im Treibhaus gespielt haben, erhielten wir auf mehreren Kanälen eine Anfrage einer Booking-Agentur, was wir zuerst nicht wirklich glauben wollten. Nach einigen Recherchen war aber klar, dass die Agentur europäische Bands nach Russland zu holen versucht und dies bereits mit einigen Gruppen aus der Schweiz gemacht hat. Und von denen erhielten wir positive Rückmeldungen.
Livio: Es passte auch wunderbar in unsere Pläne, da wir sowieso an eine kleine Tour dachten. Eigentlich eher in Osteuropa, aber die Chance war genauso toll. Schlussendlich auch der einfachere Weg.
Jonas: Für uns ist es das erste Mal, dass wir «nur» spielen müssen. Wir haben einen Fahrer, der sich im Land auskennt und einen russischsprachigen Tourmanager, der uns begleitet und sehr erfahren ist. Das gibt Sicherheit im Fall einer Panne. Und wir alleine könnten die Strecken gar nicht bewältigen, denn bereits nach dem ersten Konzert in Moskau müssen wir über Nacht 1500 Kilometer weit nach Arkhangelsk reisen.
René: Die Sprache ist natürlich eine grosse Hürde, besonders bei den Strassenschildern oder der Kommunikation im Club. Da hilft uns diese Organisation sehr.
Entscheidet – was passt besser zu A River Corssing: Vodka oder Wasser?
Gemeinsam: Wasser! (lachen)
Felix: Es gibt dieses Sprichwort: Wasser macht den Suff kaputt. Aber wir werden uns überraschen lassen.
Jonas: Wobei auch gesagt wird, dass es sehr unhöflich sei einen Vodka abzulehnen. (lacht)
Fabergé-Ei oder Überraschungsei?
Felix: Für mich das Überraschungsei, aber in der symbolischen Form.
t.A.T.u. oder Pussy Riot?
Gemeinsam: Pussy Riot!
Von Luzern nach Moskau – das ist nicht nur weit, das ist ein Kontrast. Seid ihr urbane Menschen?
Felix: Sowohl als auch. Die Vorzüge des Stadtlebens mag ich, schätze aber auch die Möglichkeit, schnell in der Natur zu sein. Luzern ist ein Ort, der ein schier unendliches Angebot beider Welten bietet.
Jonas: Ich finde es toll, innert einer Viertelstunde bereits im Wald sein zu können, um dort zu biken – dann aber auch am Abend in der Stadt ausgehen zu können. Dagegen wäre mir Zürich wohl bereits zu urban.
René: Ich bin eher auf dem Land aufgewachsen und habe darum auf jeden Fall einen gewissen Bezug dazu. Zwar lebe ich nun in der Stadt, geniesse es aber sehr, mich schnell zurückziehen zu können.
Der Kanton Luzern ist momentan vor allem mit seiner Sparpolitik und der Fasnacht in den Schlagzeilen. Wie lebt es sich als Band in diesem Gebiet?
Felix: Momentan geht ein kultureller Ruck durch die Stadt, auch bei den Musikschaffenden – allerdings weiss man noch nicht, wohin dieser führen wird. Other Music Luzern ist eine interessante, neue Vernetzungsstelle, wobei sich zeigen wird, wie stark wir als Band davon profitieren können. Eigenleistung ist auf jeden Fall immer noch das wichtigste.
Livio: Die Hürde ist eher hoch, da hört man sogar von kleinen Festivals, die keine Unterstützung mehr erhalten, weil sie einen Kleinstbetrag an Eintritt verlangt haben. Oder die nötigen, sehr umfangreichen Dossiers, welche für eine CD-Veröffentlichung an die Fachstellen eingereicht werden müssen.
Felix: Auf politischer Ebene betrachtet gibt es Unterschiede bei der Akzeptanz der Kulturschaffenden, was gewissermassen für ein Ungleichgewicht sorgt. Was unsere Nische aber weniger tangiert, da wir uns eher in einem kleineren Kreis positioniert haben.
Jonas: Eigeninitiative muss natürlich sein, denn Geschenktes ist weniger wert als selbst Erarbeitetes.
Eine Konzertreihe im Ausland hat manchmal eine Initialwirkung im eigenen Land – erhofft ihr euch von der Tour mehr heimische Aufmerksamkeit?
Jonas: Erhoffen nicht, aber wir verschliessen uns auch nicht vor dieser Möglichkeit. Vielleicht sollte man versuchen, es medial auszunutzen. In erster Linie ist es jedoch eine Erfahrung, welche uns festigt und weiterentwickelt.
Felix: Wir machen das zum ersten Mal, und vielleicht funktioniert es wunderbar, was eine Wiederholung nach sich ziehen könnte. Abgesehen davon setzt man sich viel stärker mit einem Land auseinander, wenn man es selber bereist. Festgestellt habe ich, dass wir bereits jetzt viele tolle Bands entdeckt haben, die in unserem Genre unterwegs sind, welche wir sonst nie kennengelernt hätten. Was spannend ist, da wir bis auf ein Konzert nicht wissen, mit welchen Bands wir die Konzerte spielen werden.
Jonas: Vielleicht kommen wir auch gar nicht mehr zurück. (lacht)
Felix: Es ist eine Herausforderung, wir haben absolut kein Garant dafür, dass es klappen wird. Und genau darum ist es ein Erlebnis, das uns im musikalischen Weg bestimmt nicht zurückwirft.
Musik soll ein Abenteuer bleiben.
Felix: Ja, das war auf jeden Fall ein Teil der Motivation, nach der letztjährigen Tour durch Frankreich, Deutschland und die Schweiz wieder unterwegs zu sein. Das gemeinsame Erleben und Teilen der Hochs und Tiefs und immer nach vorne schauen.
Post-Rock ist eine oft instrumental erklärende Musik, obwohl ihr mit Gesang arbeitet. Das hilft an fremden Orten bestimmt.
Felix: Lustigerweise hat der Organisator uns wirklich als „Singing Post-Rock“ angepriesen. Wie populär die Musik in Russland ist, weiss ich natürlich nicht. Die Russen scheinen aber ein sehr emotionales Volk zu sein.
René: Mit der Art Musik, die wir spielen, können wir die Leute bestimmt abholen. Durch die Melodien und Klänge. Solange wir selbst viel Freude daran haben, können wir das den Leuten vermitteln.
Direkt nach Russland spielt ihr wieder in eurer gewohnten Umgebung. War ein längerer Aufenthalt im Osten nie eine Option?
Jonas: Wir werden zwei Tage früher anreisen, um noch etwas Zeit zu haben, aber sonst haben wir die normalen, weltlichen Probleme – Arbeit, Urlaubsbegrenzung. Es stand nie zur Diskussion.
René: Wir spielen 13 Konzerte an zwölf Orten, das ist viel und muss auch zuerst verarbeitet werden. Man sieht unterschiedliche Städte, Lebensweisen, Bands – das wird auf jeden Fall eine Herausforderung.
Gibt es Tour- oder Konzerterlebnisse, welche sich für immer eingebrannt haben?
Jonas: Eines der schwierigsten Konzerte war letztes Jahr in Hamburg. Mir riss eine Saite, Felix’ Verstärker stieg aus, der Sound war schlecht, und da der Mischer krank war, musste der Veranstalter die Show mischen. Da dachten wir, schlimmer kann es nicht mehr kommen, fuhren über Nacht selbst nach Paris und kamen sehr früh beim Lokal an. Der Soundcheck war super effizient, doch da sehr viele Bands spielten, reichte es am Ende nicht mehr für unseren Auftritt. Das war ein ziemliches Tief.
René: Wir haben uns sehr auf dieses Konzert gefreut, da auch die restlichen Bands sehr toll waren.
Jonas: Wir geben dem Ganzen noch eine Chance und reisen bei der Tour noch einmal nach Paris – und spielen nicht am Schluss. (lacht)
„Sediment“, euer erstes Album, erschien im August 2017. Wird man der eigenen Lieder nie überdrüssig und will neues?
René: Wir arbeiten momentan intensiv an neuem Material und werden auf der Tour in Russland zwei neue Songs spielen – um diese zu testen und auszuprobieren. Wir hoffen, dass wir danach ein Video zum einen Lied machen und dies als Zwischenreaktion veröffentlichen können. Sobald wir zufrieden mit der Qualität und der Anzahl der Songs sind, wird ein neues Album folgen.
Zum Abschluss: Was fehlt auf keinen Fall im Reisekoffer von A River Crossing?
Livio: Räucherstäbchen! Und Kopfhörer, wie auch ein Buch.
René: Nebst meinen Instrumenten und persönlichen Gegenständen habe ich eigentlich nichts Spezielles.
Felix: Sicherlich eine gute Playlist, Kopfhörer und ein Buch.
Jonas: Ich hoffe mein Pass, der ist immer noch unterwegs von der russischen Botschaft hierher.
Viel Spass auf eurer Tour und bis in ein paar Wochen.
Interview: Michael Bohli