Band: Storm Corrosion
Album: Storm Corrosion
Label/Vertrieb: Roadrunner (Warner)
Veröffentlichung: 4. Mai 2012
Website: stormcorrosion.com
Geschrieben von: Dennis Bäsecke
Manchmal zweifle ich an mir. Wenn man fast bei jeder Rezension mehr Wagemut und Innovation fordert, muss man sich irgendwann fragen, ob man die richtigen Massstäbe ansetzt. Ja! Projekte wie diese beweisen es. Die Zusammenarbeit von Mikael Åkerfeldt (Opeth) und Steven Wilson (Porcupine Tree) trägt gigantische Früchte; An der Bestnote kann nach dem ersten Stück schon kaum Zweifel bestehen. Ich will versuchen, das Hörerlebnis zu beschreiben:
Skurril und irgendwie schräg stimmt uns schon „Drag Ropes“ ein. Musik, wie zu einem Hörspiel, einem Film oder wenigstens einer Kurzgeschichte von E.A. Poe. Wenn das unheilschwangere Streicher-Pad mit seinen mahnenden Bassfiguren schon beunruhigend ist, tritt mit dem mikrotonal gefärbten Klavier die endgültige Katastrophe ein. Der fast nüchterne Gesang beschwört das be(d)rückende Scherenschnitt-Video des Songs herauf (Youtube-Tip): Gänsehaut-Garantie! Orchestral-melodramatisch geht es weiter; Durch das Dickicht aus Tremolli, Trillern und den mondblass verschwimmenden Glockenklängen bricht das Riff im Klavier und Bass hervor. Ständig wechselt die Farbe, nichts scheint sicher zu sein. Aus psychedelischen Patterns erhebt sich urplötzlich und unvermittelt der mehrstimmige Gesang. Sofort zugespitzt, angereichert mit komplexen Mustern von Bass und Akustik-Gitarre. Wie ein brodelnder Hexenkessel, wie ein Vulkan immer kurz vor seinem Ausbruch – Da setzt ein Gitarrensolo ein und die Streicher lassen sich zu geradezu sorglosen Akkordfolgen verführen. Immer noch peitscht jedoch eine Tritonus-Kette in unerbittlichen Achteln den Takt voran. Ein Riss geht durch die musikalische Faktur und eine letzte Strophe scheint wie ein Abgesang. Das Bass Motiv und die Klarinetten schliessen diesen Song(?) ab.
Ein impressionistisch anmutendes Flötensolo beginnt „Storm Corrosion“ viel versöhnlicher.
Wir befinden uns im Taumel einer minutenlangen Akustik-Ballade, als diese sich plötzlich in ein loses Impulsnetz aus Kratzen und verstimmten Klavier Saiten auflöst. Ein zunächst unscheinbarer Streichercluster wird zum „Sturm“ und verdeckt dabei die Akustik-Gitarre, die wieder eingesetzt hatte. Was für ein Effekt, wenn die Streicher abrubt „offenhörlich“ perforiert und abgeschnitten werden. Die Flöte ist wieder da – aber es ist nun ein trügerischer Frieden, wiederum durch die Streicher gestört.
Erneut harmlos und fast bis ins Nichts reduziert schleicht sich „Hag“ heran. Nur ein paar, wie zufällig herumliegende Töne formen eine lose Melodie. Beklemmende Stille zwischen den Zeilen. Fast erlösend setzen das Schlagzeug, ein Synthesizer und der Bass ein – Schnitt – Gelächter – Klavier und Gesang bringen ein paar eingetrübte Zeilen zu Gehör und nun schwillt aus einer Gitarrenmelodie, einem wilden Schlagzeug und zunehmender Verzerrung eine Klangblase heran, die psychedelischer kaum sein könnte.
Auch „Happy“ wird von der typisch werdenden mit Dissonanzen angereicherten Zupfgitarre ins Rollen gebracht. Polytonale Überlagerung durch einen Chor und ein Akkordeon lassen das Stück einen alles andere als fröhlichen Verlauf nehmen. Ein sehr tiefer Bass mit viel Echo unterbricht den Klang. Ein zweiter Anlauf: Mit breitem Gesang und Gitarrenwohlklang treten Storm Corrosion erneut an – Wieder kommt es zu Überlagerungen, wieder versinkt das Lied im dunklen Nebel. Dafür gibt es kurz darauf in „Lock Howl“ den bisher klarsten Groove der CD. Ein Pattern der Gitarre wird drei Minuten wiederholt und Wurzel eines grossen Crescendos. Das unheilvolle glockige Instrument aus „Drag Ropes“ feiert seine Renaissance und ein Teil schliesst sich an, der mit seinen herum geschobenen Quinten und Abwärts-Glissandi an alte Horror-Film-Musik erinnert. „Ljudet Innan“ schliesst das Werk sphärisch und voller Farbpracht, ja fast versöhnlich, ab.
Das ganze Album bleibt in einer gespenstischen Zwischenwelt. Aus einem undurchsichtigen Zwielicht scheinen diese Töne zu dringen. Und doch ist „Storm Corrosion“ so reich an verschiedensten Klangfarben, dass man es unmöglich beim ersten Hören vollständig erfassen kann. Also gleich noch einmal!
Tracklist:
1. Drag Ropes
2. Storm Corrosion
3. Hag
4. Happy
5. Lock Howl
6. Ljudet Innan
Bandmitglieder:
Mikael Åkerfeldt – Opeth
Steven Wilson – Porcupine Tree
Gründung:
2010