Warner Music / VÖ: 17. März 2023 / Rock, Americana
Text: Torsten Sarfert
Zum 60jährigen Bestehen bekommt die ikonischste Rockband der Welt, The Rolling Stones, ein Country-Tribute Album geschenkt. Is it only Country and do I like it?
Die meisten Stones-Liebhaber:innen, die die Band nicht nur von deren mittlerweile volksfest-ähnlichen Stadion-Konzerten und den entsprechenden Eintrittspreisen kennen, wissen um ihr Faible für Country. Songs wie z.B. „Honky Tonk Women“, „Dead Flowers“ und „Wild Horses“ liefern den Beweis. Ausserdem war Keith Richards mit Gram Parsons, einem der Begründer des Country-Rocks befreundet, und stark von ihm beeinflusst, was sich vor allem auf dem epochalen Album „Sticky Fingers“ bemerkbar machte. Einige der Songs wurden seinerzeit im legendären Muscle Shoals Studio in Alabama aufgenommen, welches berühmt für seinen ganz bestimmten Sound und Spirit war. Und dieser Sound und Spirit wehen auch durch das vorliegende Tribute-Album „Stoned Cold Country“. Von „Sticky Fingers“ fanden dann gleich drei Nummern den Weg darauf und auch die weiteren elf Songs wurden sorgfältig ausgesucht, interpretiert und produziert.
So entstand glücklicherweise kein bräsiges und klischeehaftes „The Rolling Stones go Nashville“-Album, sondern vielmehr die Definition von Country gemäss The Rolling Stones, interpretiert von einigen der angesagtesten Acts aus dem Spannungsfeld von Americana bis Southern Rock. Dieses Album also einfach in die Country-Schublade zu stecken, würde ihm ganz sicher nicht gerecht werden. Zur besseren Orientierung nachfolgend das Track- und Artistlisting, plus der Versuch einer Genre-Zuordnung:
1. Ashley McBryde – (I Can’t Get No) Satisfaction: Country-Rock
2. Brooks & Dunn – Honky Tonk Women: Country-Rock
3. Maren Morris – Dead Flowers: Country-Rock
4. Brothers Osborne & The War And Treaty – It’s Only Rock’n’Roll (But I Like It): Southern Rock
5. Jimmie Allen – Miss You: Funky R&B
6. Elle King – Tumbling Dice: Country-Rock
7. Marcus King – Can’t You Hear Me Knocking: Southern-Rock
8. Little Big Town – Wild Horses: Country-Rock
9. Zac Brown Band – Paint It Black: Psychedelic-Rock (+ a touch of Reggae)
10. Lainey Wilson – You Can’t Always Get What You Want: Country-Rock
11. Elvie Shane – Sympathy for the Devil: Southern-Rock
12. Steve Earle – Angie: Country-Rock
13. Eric Church – Gimme Shelter: Southern-Rock
14. Koe Wetzel – Shine a Light: Southern-Soul-Gospel-Country-Rock
Die Songauswahl ist toll und auch die Interpretationen lassen nichts zu wünschen übrig. Im Gegenteil: das rockt und groovt und macht Lust auf noch mehr „Stoned Cold Country“ (bei immerhin schon 70 Minuten Spielzeit). Die Songs sind oft sehr nah und respektvoll am Original belassen worden („Can’t You Hear Me Knocking“), tragen aber dennoch die unverkennbare Handschrift der einzelnen Interpreten und wurden knackig und homogen von Robert Deaton produziert. Auch die freieren Interpretationen sind durchgehend solide und meist positiv überraschend („It’s Only Rock’n’Roll“, „Paint It Black“). Das rotzig Unperfekte der Originale zu reproduzieren wäre sicherlich ein sinnloses Unterfangen geworden, dafür liefern die zahlreichen unterschiedlichen Interpreten ein homogenes und äusserst unterhaltsames Gesamtwerk ab.
Während Bands wie U2 mittlerweile mit fragwürdigen Ergebnissen ihre eigenen Songs covern, erscheint mir dies doch die deutlich attraktivere Methode, um alten Klassikern nochmals einen frischen Anstrich zu geben. Schubladen hin oder her.