hithome Records / VÖ: 15. September 2023 / Pop-Punk
Still Talk
Text: David Spring
Was haben die Snare-Drum von Lars Ulrich auf Metallicas «St. Anger»-Album und das andauernde Pop-Punk-Revival gemeinsam? Okay, doofer Vergleich, denn böse Zungen behaupten nun, dass beides ja einfach schwer erträglich und völlig unnötig sei. Das stimmt natürlich nicht. Viel mehr ist die grossartige Band Still Talk aus Köln gemeint. Deren Debüt-Album hört nämlich in total ernstgemeinter Huldigung an das Metallica-Werk auf den vorzüglichen Titel «St. Banger».
Still Talk spielen in erster Linie rasanten, emotionalen und eingängigen Pop-Punk. Ihre 2022er EP «A Short Collection Of Songs About How Easily I’m Distracted» rückte noch vermehrt die Pop-Seite der Band in den Vordergrund. Doch auf «St. Banger» werden andere Saiten angeschlagen. Der Opener «Move To L.A.» fällt mit grossen Melodien, einem stampfenden Beat und vorzüglichen Lyrics zur Tür herein. Sängerin Tanja Kührer brüllt die Worte «Cause I’m a fucking hypocrite» so verdammt ehrlich ins Mikrofon, dass man sich sofort verstanden fühlt.
Der Titeltrack ist, wenig überraschend, ein verdammter Banger. Kurios, verspielt, poppig und mit dem vermaledeiten Lars-Ulrich-Snare-Sample veredelt, macht der Song tierisch Spass. Mit «Headcheck» und dem überraschenden «Jokes About Heroin» folgen zwei weitere astreine Pop-Punk-Hits, die sofort ins Ohr gehen. Letzterer wartet sogar mit heftigen Screams auf, die kurz in Richtung Hardcore schielen. Still Talk vermögen es wundervoll, verschiedene Einflüsse zu ihrem eigenen Sound zusammenfliessen zu lassen. Hier etwas Press Club, da etwas Avril Lavigne, dazu eine Prise The Menzingers und zu guter Letzt vielleicht etwas Thrice obendrauf.
Inhaltlich fährt die Band ähnlich intensiv auf. Themen wie psychische Erkrankungen, Schuldgefühle, Selbstoptimierungswahn, der Tod, verflossene Liebe und der Wunsch nach Veränderung werden clever und nachfühlbar besungen. Das Beste kommt wie so oft zum Schluss, denn das finale «Sad For Fun» stellt alles in den Schatten. Dank dem kurzen Gastspiel von Blackout Problems Sänger Moritz Hammrich rockt der Song ordentlich. Doch sind es die unglaublich ehrlichen Lyrics über die eigene Hochstapelei und angeknackste psychische Gesundheit, die das Stück zu einem kleinen Meisterwerk werden lassen.
Still Talk überzeugen mit ihrer aufrichtigen und eingängigen Musik. Weit entfernt davon, nur eine weitere Pop-Punk-Gruppe zu sein, gelingt es ihnen, dem Genre mit kreativen, abwechslungsreichen Songs, schonungslos ehrlichen Texten und jeglichem Schmerz trotzender Lebensfreude einen angenehm frischen Wind einzuhauchen. «St. Banger» ist ein grossartiges Debüt, auf das Still Talk zurecht stolz sein dürfen. Und wir können uns von dieser Band hoffentlich noch so auf einiges gefasst machen.