Secretly Canadian / VÖ: 26. August 2022 / Indie
stelladonnelly.com
Text: Michael Messerli
Was man in Australien aktuell alles an Rockmusik zu Tage fördert, kommt zwar etwas seltener aus Perth, die Tage, an denen man vorwiegend auf Melbourne schielte, sind jedoch gezählt. Das auch dank Künstlerinnen wie Stella Donnelly, die bereits mit ihrem textlich glänzenden, selbstbewussten Debüt Aufmerksamkeit auf sich zog. Und irgendwann ist es sowieso egal, wo man herkommt, wenn man sich fragt, wo man sich zuhause fühlt. Stella Donnelly singt mit einem Akzent, der sie trotz allem verrät. Wo dieser auf ihrem Debüt «Beware of the Dogs» gerne zubeissende Zeilen transportierte, lässt sie ihn auf «Flood» Beziehungsgeschichten auch familiärer Natur erzählen.
Fehlte auf dem Erstling zuweilen noch etwas die musikalische Orientierung, tut «Flood» diesbezüglich einen sehr grossen Schritt nach vorne. Und auch wenn der Vergleich langsam alt wird: Bei «How Was Your Day?» oder dem Titeltrack drängt sich derjenige mit Courtney Barnett auf – bei anderen Songs derjenige mit Kate Nash. Entstanden ist «Flood» vor dem Hintergrund coronabedingter sozialer Isolation in australischen Regenwäldern und vermehrt am Klavier. Ganz besonders gut nachzuhören in «Move Me», dem Song auf «Flood», der das Herz sofort erobert und nicht mehr hergibt. Das Verbindungsstück zwischen dem Debüt und «Flood» ist der starke Opener «Lungs».
Das verspielte Selbstbewusstsein ist demnach geblieben. Dazu gesellt sich ein jetzt noch schärferer Schnitt beim Songwriting, der «Flood» grossartig zusammenwachsen lässt. Die Entwicklung der Australierin wird in «Underwater» am offensichtlichsten: Eine ruhige, wunderschöne Klavierballade, kein Wort und kein Ton am falschen Ort. Den Witz hat sie dabei nicht verloren, er wird aber etwas subtiler («Medals») oder gleich ganz in einen coolen Beat mit Schleifchen verpackt («This Week»). Die zweite traurige Klavierballade «Oh My My My» ist dann auch der längst nicht mehr nötige Beweis, wie breit das Spektrum von Stella Donnelly ist und was sie sich gesanglich zutraut. Mit «Cold» legt sie hier nochmals nach und findet damit einen gelungenen Abschluss eines kurzweiligen und dennoch beeindruckend schlüssigen Albums.