Norden. Die Mutter aller Mütter. Dänemark. Ein (weiterer) Dreh- und Angelpunkt musikalischer Hochgenüsse. Århus. Eine Traumschmiede und Notenschlüsselherberge in einem. Zum inzwischen 16. Mal bat SPOT-Festival zum Tanz.
Während 2 1/3 Tagen gaben sich Klangvirtuosen um Klangvirtuosen die Klinke in die Hand. Und das in Århus, der grössten Stadt (nach Kopenhagen) Dänemarks. Mit der Sonne im Herzen und über dem Kopf frönten weltoffene Musikliebhaber auf den Dächern, unter freiem Himmel, im Zelt und in der Halle den zuweilen wunderbarsten Ohrgenüssen. Bretter, die für alle Anwesenden fürwahr die Welt bedeuteten, wurden förmlich erobert – beispielsweise von Cody, einer wunderbar cholerischen, melancholischen, hübschen, bestandenen und verspielten Band. Das Sahnehaupt in Form der Cello spielenden blonden Wohlgestalt überzeugte sowohl im intimen Rahmen (Lynfabrikken) als auch im prall gefüllten Konzertraum (Store Sal). Cody wusste sich, zum Glück für die „SPOT-isierten“, aber in bester Gesellschaft, denn Slaraffenklang standen ihnen in nichts nach.
Kellermensch, Slaraffenklang & Co.
Das hybride Bühnenstück (Slaraffenland und Efterklang in Fusion) ist nicht nur in Dänemark und gar über die Landesgrenzen hinaus populär, sondern war auch dafür besorgt, am SPOT-Festival durchs Band frenetisch genossen und gefeiert zu werden. Geknüpfte Klangteppiche in Eigenkreation lullten zwar ein, doch der Auftritt konnte den Vorschusslorbeeren nicht immer ganz gerecht werden. Lobhudelnde Vorboten zogen auch Kellermensch nach sich. Kellermensch, das musikalisch Diametrische zu Slaraffenklang, waren, Achtung Kalauer!, nicht im Geringsten bleich oder besser gesagt, wusste Kellermensch ihre jahrelangen Kelleraufenthalte gut zu nutzen – indem sie sich wohl gründlich ihren Instrumenten hingaben (und noch immer hingeben). Kellermensch überzeugte durchs Band und wurde dem Ruf als ausnahmekönnerisches Kunterbunt durchaus gerecht.
Der Auftritt war heftig, dunkel, metallisch herzallerliebst und überdies mit einem Violin’schen Anstrich verziert. Psyke Projekt, sie legten das Fundament für die gute Stimmung im Raum (Studenterhuset), nutzten ihre 45 Minuten davor, trotz des Sängers arger Beinverletzung. Rasch beseelte deren intensive, riffschwangere Metal-Musik den Raum und wenn nicht das Bier überschäumte, dann war’s der Enthusiasmus. SPOT-Festival wäre aber nicht SPOT-Festival, hätte es nicht noch viel mehr zu bieten gehabt. Gewisslich: Verbal auf Händen getragen wurden etwa When saints go machine, FM Belfast und Kiss kiss kiss. Das Triumvirat schien sowohl Journalisten als auch Promoter und Zuschauer zu überzeugen.
Kompetenz, Talent, Resp …
Sehr gut möglich, doch in Anbetracht den Unmengen von Gigs mussten einfach Prioritätenstricke geknüpft werden. Damit wurden nicht sie, aber quasi andere, völlig unterschiedliche Bands wie Howl baby howl, Scarred by beauty, Catbird, Vinnie Who, Klein und Underwater sleeping society an Land gezogen. Gute Auftritte trafen da auf überzeugende Musik und freudetrunkene Konzertgänger. Herauskristallisiert haben sich überdies, sie waren dem Himmel ganz nah, die schwedische Einmann-Show Moto boy und das dänische Duett Call me Kat. Durch die Allgemeinbrille betrachtet waren diese Århus-Musikfesttage ein wohlwollendes Sammelsurium, das gezeichnet war von Beglückung, Wärme, Talent, Professionalität, Kompetenz und Respekt.
SPOT-Festival machte deutlich, dass es keine Rolle spielt, ob das Monokel, die Lesebrille, das Fernrohr, das Fernglas oder gar nichts aufgesetzt wird. Der Tenor ist eindeutig wie einhellig: Lugt alle nach Norden, und beachtet den hier mitschwingenden Imperativ. Denn Dänemark ist (längst) kein weisser Fleck mehr auf der globalen Musiklandkarte. Und die eine oder andere von Schweizer Musiktastenknechten gewählte Band darf sommers 2010 auch gleich noch am Jazz Festival in Montreux brillieren. (Nicht nur) Die Überraschung ist es wert, Montreux zu besuchen (die drei Bands werden am Samstag, den 10.7.2010 im Jazz Café ab 22 Uhr aufspielen). Welch’ zauberhafte Symbiose (Swiss-Danish music cooperation 2010) Mutter Helvetia und Mama Dänemark da ans Tageslicht gefördert haben!
www.spotfestival.dk
www.montreuxjazz.com
Geschrieben von: Cyril Schicker