Second Unit – Die Filmkolumne
Text: Michael Bohli
Where the Crawdads Sing
Regie: Olivia Newman / USA, 2022 / Start: 18. August 2022
Verleih: Sony Pictures Releasing Schweiz
Als Delia Owens 2018 ihren Roman Where The Crawdads Sing veröffentlicht hat, war sie von dem weltweiten Erfolg bestimmt überrascht. Während mehr als zwei Jahren war der Kriminalroman das meistverkaufte Buch, nicht nur in den sozialen Medien überschlugen sich die euphorischen Stimmen. Dass innert kurzer Zeit eine Verfilmung folgen würde, war abzusehen. Die Adaption aus Hollywood entstand unter der Regie von Olivia Newman und ist ab dieser Woche in den Kinos zu erleben. Doch werden Aufnahmen und Inhalte dem Hype gerecht?
Als das Marschmädchen Kya eines Mordes angeklagt wird, wird deren eigenbrötlerisches und zurückgezogenes Leben in den Sümpfen von North Carolina vor Gericht auseinandergenommen. Es war ein Dasein voller Probleme und Enttäuschungen, Misshandlungen und schweren Entscheidungen. Ohne ihre Eltern musste sich Kya von früh an allein durchschlagen, als junge Frau findet sie sich nicht mehr in der Gesellschaft ein. Dass sie sich zu zwei verschiedenen Männern hingezogen fühlt, macht alles nicht einfacher. Besonders, da diese scheinbar nicht nur Gutes mit ihr im Schild führen. Als eines Tages einer von denen tot aufgefunden wird, was zu Kyas Anklage führt, spitzt sich die Lage zu.
Inhaltlich vermischt Where The Crawdads Sing romantische Aspekte, ein Gerichtsfall und kriminelle Handlungen zu einem Lebensentwurf fernab der Zivilisation, gefüllt mit Geheimnissen. Was viele Möglichkeiten bietet, wird im Film von Delia Owens leider strukturell etwas holprig ausformuliert. Das Gewicht liegt in der Vergangenheit Kyas, die Verhandlung ist bloss Stichwortgeberin und Entschuldigung für lange Sequenzen im Marschgebiet. Besonders im Schnitt und den merkwürdigen Drehbuchentscheidungen fällt dies auf, das emotionale Gewicht fehlt, das Innenleben der Figuren wird fast ausgeklammert.
Da Daisy Edgar-Jones in der Hauptrolle allerdings sehr gut spielt und ihre Figur abseits der typischen Klischees einer hilflosen Frau agieren darf, bleibt man nicht ganz kalt. Die wunderbaren Aufnahmen der Kamerafrau Polly Morgan und das schöne Licht runden das Spiel von beispielsweise Sterling Macer Jr. oder David Strathairn ab, der Abspann-Song von Taylor Swift lädt zum Summen ein.
Dank des durchschlagenden Erfolges des Buches wird auch der Film sein Publikum finden – vor allem bei Personen, die sich in sehnsüchtigen Liebesgeschichten verlieren wollen. Wirklich überzeugen konnte mich Where The Crawdads Sing allerdings nicht. Ein stärkerer Fokus auf den Kriminalfall und die Gesellschaftsschuld hätten nicht geschadet.