Eigenveröffentlichung / VÖ: 10. März 2023 / Indie-Rock
rathmannrathmann.de
Text: Patricia Leuchtenberger
Seit 2021 veröffentlicht die Gruppe Rathmann Musik und stellt sich auf ihrer gleichnamigen EP in erster Linie verkatert vor, sodass sich die Frage stellt: Was will die Band überhaupt?
In dem beschwingten „Roter Wein“ beginnt der Tag bei der Marburger Band Rathmann nach einer durchzechten Nacht wieder neu – und das mit der zentralen Droge der Debüt-EP: Wein. Hier wird Hedonismus als zentrales Motiv gleich festgemacht, welches in systematischer Reihenfolge durchgespielt wird, als nächstes von „Yeezus Christus“.
Die beabsichtigte Fehlschreibung ist eine unverblümte Anspielung auf Adidas’ Kollektion mit dem Künstler Kanye West, aus der die Haute Couture Schuh-Kollektion „Yeezy“ entstand und dessen Preis den Kapitalismus wohl an seine Grenzen treibt. Bibel-Metaphern werden im gleichen Zug mit dem Rausch gleichgesetzt, die rhythmische Begleitung fällt deutlich langsamer als zuvor aus. Es ist eine clevere Komposition, wenn man West’s religiösen Fanatismus der letzten Jahre auf den Schirm hat.
„Anna K.“ taucht dann in melancholische Gewässer ein: Rathmann gibt Ratschläge, und nicht mal all zu schlechte. Es geht um Ängste und Authentizität, der Track schweift zum Refrain in nachhallenden Post-Punk aus: „Anna K., wirf nicht weg, was du brauchst, für das, was du liebst / Iss im er nur, was du verdaust, nicht, was du verdienst“. Die Pointe ist im Refrain gut gewählt: „Und Anna K., sag mir doch, was du fühlst, wenn du dich verbiegst“.
Nachdem die EP „Rathmann“ mit „Anna K.“ einen Höhepunkt zu verzeichnen hat, fällt die Platte mit „Der Clown“ und „Alter Luxus“ lyrisch in eine zeitgenössische, klischeedurchtriebene Schablone zurück, klanglich bewegt sie sich innerhalb der Grenzen des Indie-Rocks. So weit, so uninteressant. Zuletzt hält der simple Song „Die Party Ist Vorbei“ ein Zugeständnis bereit: Wein ist wohl doch kein so guter Verdrängungsmechnismus.
Magnus Ernst’s kalte, und doch helle Stimme gleitet nur so über die bunten Melodien und bildet so einen interessanten Gegensatz zum warmen Indie-Rock-Sound der dreiköpfigen Band. Dochrichtigen Eindruck hinterlässt nur jene Musik, die sich abhebt, Wiedererkennungswert hat und gleichzeitig nahbar und authentisch erscheint.
Und hier ist der Punkt: Auch wenn Rathmann verbissen versucht, den Zahn der Zeit zu vertonen, bleibt es am Ende an der Oberfläche: Saloppes Namedropping, Andeutungen und Referenzen in jeder Zeile lassen nur wenig auf den Kern der Band schließen. Ohne in die Tiefe zu steigen, kann sich der Sänger Magnus Ernst nicht den ein oder anderen satirischen Kommentar verkneifen, wenngleich es nett anzuhören ist.
Im Rathmann’schen Getummele geht der sinnbildende Aspekt unter – zu eng wird sich an den Stereotypen der Generation Z orientiert, sodass kaum Raum für authentische, unaffektierte Momente jenseits des Mainstreams bleibt. Was am Ende bleibt, ist eine unvollständige Euphorie über die verdammt gute instrumentale Aufmachung. Denn die Gitarristin Caro Sommer, Arne Wolff am Schlagzeug und Moritz Weishaupt am Bass ergänzen sich in ihren Charakteristika perfekt und formen einen legeren Klang, den man so noch nicht gehört hat – im nächsten Schritt muss der Text dem brillianten Sound wertig werden.