Band: Petrol Girls
Album: Cut & Stitch
Genre: Post-Hardcore
Label: Hassle
VÖ: 24. Mai 2019
Webseite: Petrol Girls bei FB
„Touch me again and I’ll fucking kill you“, schrie Ren Aldridge auf dem Debüt der Petrol Girls. Dass sich der feministische Post-Hardcore des in London gegründeten Quartetts inhaltlich einer klaren Position zuordnen lässt, liegt auf der Hand. In der Variation lernen sie aber schnell dazu. Was ihnen auf dem Nachfolger “Cut & Stitch“ sicher entgegen kommt, ist, dass sich Wut und Verletzlichkeit gleichermassen rausschreien lassen. Die Petrol Girls finden nach dem bereits gelungenen “Talk Of Violence“ die Variation aber zunehmend in den Zwischentönen und der Art, wie Aldridge die Texte mit der Musik verwebt: Geschriene Parts wechseln sich ab mit gesungenen oder gesprochenen und die beiden Kollegen sowie die Kollegin unterstützen sie immer wieder wirkungsvoll. Die diversen kurzen Interludes helfen dabei zusätzlich, sind geschickte Pausen, welche dafür sorgen, dass “Cut & Stitch“ nicht im Eilzugstempo an einem vorbei rast.
Es gibt aber noch Entwicklungspotential. In “Skye“ singt Aldridge über ihre verstorbene Hündin und sie ist nicht die erste, die ihrem Haustier einen Song widmet. Das Thema Vergänglichkeit in der Form abzuarbeiten, kann den Bogen schon überspannen. Auch wenn “Skye“ musikalisch funktioniert, ist die Beziehung zwischen Mensch und Haustier sowie deren Zweck auf textlicher Ebene keine einfache Angelegenheit. Die hier etwas gewagte Theatralik mag daher ein Kollateralschaden einer ansonsten mutig offenbarten Verletzlichkeit sein. Damit wäre dann aber das Haar in der Suppe definitiv gefunden.
Viel überzeugender ist “Cut & Stitch“, wenn Ren Aldridge ihre eigene Rolle herausfordert und die innere Unruhe entweder zu bekämpfen, zu kanalisieren oder zu bändigen versucht. Das mit einem Post-Hardcore, der so vielfältig und -schichtig ist, dass er fast alle ansprechen müsste, die irgendwo auf dem breiten Spektrum zwischen Punk und Hardcore die eine oder andere Lieblingsband verorten können. Egal aus welchem Jahrzehnt. Die Petrol Girls erstarken immer mehr in ihrem integrativen Ansatz, in dem sie ihre Alleinstellungsmerkmale ausdifferenzieren können und es auch schon überwiegend tun. Und wenn sie die Stimme in grossartigen Songs wie “Big Mouth“ oder “No Love For A Nation“ erheben bzw. sie im ruhig erzählenden “Rootless“ senken, steckt darin bereits etwas Erhabenes, das nicht mit Überheblichkeit zu verwechseln ist. Im letzten Song “Naive“ sind die Petrol Girls schliesslich nochmals alles, was sie auf “Cut & Stitch“ ausmacht: kämpferisch, wütend, verwundbar und noch lange nicht fertig mit sich, dir und der Welt.
Tracklist:
1. Intro
2. The Sound
3. Tangle Of Lives
4. Interlude (Q&A)
5. Big Mouth
6. Interlude (Looming)
7. Monstrous
8. No Love For A Nation
9. Skye
10. Burn
11. Talk In Tongues
12. Interlude (They Say)
13. Rootless
14. Weather Warning
15. Naive
Bandmitglieder:
Liepa Kuraitė – Bass
Ren Aldridge – Gesang
Joe York – Gitarre
Zock – Schlagzeug
Gründung:
2012
Text: Michael Messerli
https://youtu.be/PE91PlS-OHQ