Hassle Records / VÖ: 24. Juni 2022 / Punk, Post-Punk
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Text: David Spring
Es gibt Bands, die schreiben coole Songs mit mehr oder weniger interessanten Texten, im Punkrock sind politische und sozialkritische Themen an der Tagesordnung. Eine Gruppe, die das wie keine andere beherrscht, sind Petrol Girls aus England. Den Finger stets mitten in die blutenden Wunden unserer Gesellschaft gesteckt, steht mit „Baby“ das erwachsenste, wütendste Werk des Vierers ins Haus.
Was 2012 als Punkgruppe mit vielen Hardcore-Einflüssen begann, entwickelte sich über die Jahre hinweg zu einer angesehenen, radikal-feministischen Band. Auf Album Nummer drei wird bewusst etwas weniger gepredigt und wieder mehr Spass gehabt. Die Petrol Girls scheissen auf sämtliche Vorgaben und stilistischen Strukturen, was zur Folge hat, dass auf der Platte von Vollgas-Post-Punk wie „Feed My Fire“ oder „Sick & Tired“ über verquerten Art-Rock, wie das epische „Violent By Design“, oder die schmerzhafte wie humoristische Vorabsingle „Baby, I Had An Abortion“ bis zu einem Quasi-Industrial-Monster wie „Fight For Our Lives“ alles vertreten ist.
Petrol Girls nehmen kein Blatt vor den Mund. Die Texte sind reifer und überlegter, was der Gruppe bestens zu Gesicht steht, kommen ihre Botschaften viel besser zur Geltung. Die Produktion des Albums ist fett und modern, die Einflüsse so mannigfach wie passend. Wer nun Angst hat, dass die vier ihren Biss verloren haben, kann beruhigt aufatmen. Auch 2022 gibt es kaum eine Band, die so effektiv und unbarmherzig die Missstände unserer Zeit anspricht und unter die Lupe nimmt. Unbequem, konsequent ehrlich und meistens brutal ernsthaft gehen die Songs direkt unter die Haut.
Wer Musik am liebsten seicht und sachte im Hintergrund hat, der soll um Petrol Girls einen weiten Bogen machen. Wer jedoch weiter unerlässlich gegen das Patriarchat und den Kapitalismus, gegen Sexismus und Homophobie kämpfen will. Sich lautstark für intersektionalen Feminismus und eine bessere Welt für alle einsetzt und dafür einen modernen, abwechslungsreichen und aufmüpfigen Soundtrack sucht, findet an Petrol Girls und „Baby“ keinen Weg vorbei.