earMUSIC / VÖ: 15. September 2023 / Rock
New Model Army & Sinfonia Leipzig
Text: Torsten Sarfert
Hätte jemand vor mehr als 40 Jahren Justin Sullivan gesagt, dass er mal ein Album mit einem Sinfonieorchester aufnehmen würde, er hätte es wohl selbst nicht geglaubt. Oder doch? Jedenfalls liegt mit „Sinfonia“ nun genau dies vor: Die Folkpunks von New Model Army treffen auf die Sinfonia Leipzig. Das Ganze dazu noch live an einem exklusiven Abend im Berliner Tempodrom.
Dabei war – wie Sullivan erklärt – die Herangehensweise entscheidend: „Es gibt viele Beispiele von Rockbands, die mit Orchestern spielen, aber nicht viele gute. Das Wichtigste für uns war, dass es nicht wie eine Band mit einem zusätzlichen Orchester klingen oder wirken durfte, sondern wie eine vereinigte 40-köpfige Band.“ Doch wie setzt man einen solch ambitionierten Ansatz um? Zumal New Model Army als überzeugte Independent-Band nicht auf hilfreiche Kontakte aus dem Umfeld musikalischer Majors zurückgreifen können und wollen. Mussten sie glücklicherweise auch nicht, haben sie doch mit ihrer langjährigen Weggefährtin und Gast-Violinistin Shir-Ran Yinon eine Spezialistin direkt im inneren Kreis. Die Leipzigerin arrangierte flugs 20 Karriere umspannende New Model Army Stücke (plus eine Ouvertüre) für Orchester und konnte die junge, ebenfalls in Leipzig ansässige „Sinfonia“ für das Projekt gewinnen. Unter der Leitung von Cornelius During ging es dann an die Proben.
„We had two years of hanging around and then we had only two days of rehearsal“, wird Justin gegen Ende des Konzerts das Publikum aufklären. Hört und sieht man sich das Ergebnis an, kann man es schier nicht glauben. Denn was die 40 Musiker:innen über zwei höchst intensive Stunden abliefern, ist geradezu überwältigend. In höchstem Masse symbiotisch gelingt hier der geplante Kunstgriff, Rock- und klassische Musik so zu verbinden, dass auf beiden Seiten ein Mehrwert entsteht. Dieses Ergebnis ist mehr als die Summe seiner Teile und schlichtweg bombastisch gut. Die leuchtenden Augen und strahlenden Gesichter von sowohl Publikum als auch Musiker:innen zeugen unmissverständlich davon. Nachzusehen übrigens auf der Bonus DVD der limitierten Erstauflage des 3-fach Vinyl und der Doppel CD.
Besonders hervorzuheben ist dabei meines Erachtens nach die Rolle des Drummers Michael Dean als Bindeglied von Band zu Orchester. Er ist der Fixstern im Universum der „New Sinfonia Army“, auf den sich alle verlassen können. Die Songauswahl (mit ein paar echten Überraschungen für Fans) und der charismatische Justin Sullivan reissen dann ab der zweiten Hälfte das Publikum im restlos ausverkauften Tempodrom vollends von den ungewohnten Sitzen. Justin selbst hatte dazu mehrmals aufgerufen. Vermutlich um seine eigene, nachvollziehbare Aufregung etwas zu kanalisieren. Denn aufregend im allerbesten Sinne war und ist dieses Konzert in jedem Fall; mehr noch haben sich Justin Sullivan und seine New Model Army damit ein (weiteres) musikalisches Denkmal gesetzt.
Und ich gehe jetzt vielleicht doch mal zu einem klassischen Konzert.