Bella Union / VÖ: 26. November 2021 / Psychedelic Rock
flaminglips.com / Nell Smith
Text: Michael Bohli
Sich als Papagei verkleidet an Konzerten aufzuhalten kann nicht nur in Kontakten mit den eigenen Vorbildern resultieren, sondern sogar in gemeinsamen Alben. Klingt unwahrscheinlich und nach einer Märchengeschichte? Für Nell Smith aus Leeds ist genau dies passiert, als sie nach dem Umzug nach Kanada mit ihrer Familie ein Konzert der Flaming Lips besuchte. Zwölf Jahre alt, kostümiert und nicht zum ersten Mal Gast in den vordersten Reihen – die psychedelische Rockgruppe um Wayne Coyne wurde auf das Mädchen aufmerksam, eine freundschaftliche Beziehung entstand.
Nell Smith begann ihre musikalischen Hobbys nicht nur neu auszurichten, The Flaming Lips planten sogar bereits Aufnahmen mit der Heranwachsenden ein. «Where the Viaduct Looms» ist nicht dieses Vorhaben, sondern eine pandemiebedingte Notlösung. Coyne schlug der 14 Jahre alten Smith vor, sich an Coverversionen von Nick-Cave-Songs zu wagen, welche die Band auf ihre typische Weise ausschmücken würde. Gesagt getan, neun Lieder liegen vor, psychedelisch blubbernd und mit jungem Gesang frisch interpretiert – ohne bekannte Eigenheiten zu verlieren, siehe etwa «Red Right Hand».
Da Nell Smith Nick Cave nicht kannte, konnten die Versionen ohne emotionale Konflikte durchgeführt werden, ihr Gesang steht im Zentrum von «Where the Viaduct Looms». Mit Flächen, Melodien und bekannten Effekten verzieren The Flaming Lips das Unterfangen, waghalsig wird es auf der Platte nie. Dafür strahlt das tieftraurige «Girl In Amber» neu, «No More Shall We Part» erhielt eine grössere Verletzlichkeit und «O Children» eine etwas andere Bedeutung. Spannend anzuhören, der Genialität Caves gerecht werdend, dafür etwas überraschungsarm. Was zu sagen gilt: Solche Projekte und Alben machen das Experiment Musik lebenswürdig.