Inhumano Records / VÖ: 29. September 2023 / Post-Hardcore, Punk
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Text: David Spring
«Meine Damen und Herren, das Anzeigesystem ist defekt. Wir bitten Sie um Verständnis. Herzlich willkommen im Interregio Richtung Norden. Achten Sie auf Ihre Mitreisenden, seien Sie kein Arschloch und geniessen Sie die Fahrt.» Diese sympathische Bahnhofsdurchsage erklingt im Lied «Norden» auf der neusten EP «Aporie» des grossartigen Schweizer Post-Hardcore/Indiepunk-Trios Mr. Linus. Eine Ansage, die man sich sorglos als Lebensweisheit hinter die Ohren schreiben könnte.
Das Debüt von Mr. Linus, die tolle EP «Revue» liegt schon über vier Jahre zurück, doch das Warten hat sich gelohnt, denn die Band hat nichts an Druck, Weltschmerz und Intensität verloren. Der Opener «Faust» brennt sich mit verzerrtem Bass und treibenden Drums in die Gehörgänge, während die Gitarren schnarrend und fuzzig grosse Soundwände bilden. Das Markenzeichen der Band ist der zweistimmige Gesang von Bassistin Rebecca Schelling und Gitarristin Anna Clavadetscher. Nur selten singen die beiden nicht gemeinsam, wobei ihre sehr unterschiedlichen Stimmen sich manchmal wundervoll ergänzen und manchmal richtig schön aneinandergeraten. Es bleibt unbequem, rastlos und schmerzlich, wie nur Mr. Linus das hinbekommen.
Der eingangs erwähnte Kracher «Norden» steht lautstark im Zentrum. Der schwermütige Text über all die Widersprüche, Normen und die ewig unlösbaren Dilemmas – eben die Aporie des Lebens – widerspiegelt die Welt von Mr. Linus perfekt. Ihre traurig wirkenden, deutschsprachigen Texte erinnern dabei an Bands wie duesenjaeger oder No°rd, doch gerade die wild geschrienen Passagen rufen auch immer wieder Gruppen wie Asbest oder Petrol Girls ins Gedächtnis. Das abschliessende «Piratin / Alles oder nichts», vielleicht das Highlight der Platte, bringt zum Ende hin noch etwas Katharsis. Wenn zu immer bombastischer und erhabener werdenden Gitarren skandiert wird «wir wollen das eigentlich nicht», kann man durchatmen.
Die Musik von Mr. Linus ist erdrückend und melancholisch. Vor allem ist sie ist voller Widersprüche: aufregend, doch beängstigend, abwechslungsreich, doch monoton, niederschmetternd, doch am Ende erbauend. Die drei Songs auf «Aporie» sind grundehrlich und authentisch, zwar nicht einfach zu verdauen, dafür umso besser. Mr. Linus versuchen nicht, irgendwo dazuzugehören und überzeugen auf ihre eigene Art voll und ganz. Oder um es in ihren eigenen Worten zu sagen: «Wir malen uns die Welt, wie sie euch nicht gefällt. Wir wollen mehr und mehr, bis ihr uns endlich hört.»