Datum: 29. Juli 2010
Ort: KKL – Luzern
Bands: Mike Patton’s Mondo Cane
Mike Patton war in der Vergangenheit oft auf Schweizer Bühnen anzutreffen. Währenddem er also eine gewisse Beständigkeit mit sich bringt, wechsel(-te)n seine Mitmusiker laufend. Dies nicht deshalb, weil sie jeweils schlecht waren, sondern viel mehr hat es damit zu tun, dass er mit jeweils unterschiedlichen Bands auftrat. Am wohl bekanntesten sind die Ursprungsformation Faith no More, mit der Mike Patton erste internationale Erfolge einheimste, das Genre-Kunterbunt Mr. Bungle und die beiden – kongenialen – geräuschschwangeren Kostbarkeiten Tomahawk sowie Fantômas. Weniger bekannt (auch weniger überzeugend, vom Namen einmal abgesehen) ist das Projekt Peeping Tom. Oder dasjenige mit Rahzel, der personifizierten Beatbox. Einen Siegerkranz gebührt Mike Patton wiederum für sein Mitwirken auf den Silberlingen von Praxis, John Zorn und The Dillinger Escape Plan („Come to Daddy“).
Doch dem ist bei weitem nicht genug. Zum Glück auch, hat doch der Tausendsassa aus Kalifornien eine grosse Affinität zu Italien, die er mit seiner jüngsten Musik-Extravaganz auslebt. Diese trägt den Namen „Mondo Cane“ und steht dafür, in der Moderne italienische Lieder aus den 50-er/60-er Jahren feilzubieten. Auf den ersten Blick hört sich das weniger an, als sei dies erstrebenswert respektive genüsslich fürs Ohr. Doch ist es. Und wie. Mike Pattons „Mondo Cane“ ist seit Frühling 2010 in gepresst-konservierter Form erhältlich und empfehlenswert. Gar empfehlenswerter ist aber die Live-Show, vorausgesetzt Mike Patton führt „Mondo Cane“ noch lange ins Feld – und kommt nochmals wieder. Zu erwarten ist es, denn bei seiner Schweizer Erstaufführung in der bezaubernden und sicherlich nobelsten Kulturstätte Mutter Helvetias, dem KKL Luzern, zeigt er sich von seiner besten Seite: bis auf kleinere bissige Kommentare in Richtung Mitmusiker, gefolgt von abschätzenden Blicken.
Gepatzt hat es kurz, das 24 Personen grosse 21st Century (Symphony) Orchestra, allerdings nicht sonderlich schlimm. Mike Patton ist sowohl für Zuschauer als auch für Mitmusiker nicht so angenehm wie Zuckerwatte essen. Er kann es sich erlauben, und, solange er sich gibt wie am diesjährigen Blue Balls Festival, dann vergisst man seine Attitüden. Mike Patton zeigte sich sichtlich engagiert sowie in guter Spiellaune – er war gleichzeitig eine verdammt sexy Mischung aus Arroganz und gewinnender Persönlichkeit. Die Schmusesongs Italiens hat er oft stark angelehnt an seine immer wieder bizarr anmutenden, fantastischen Geräuschkulissen. Aggressionsströme und gewissermassen auch Humor lässt er in die Lieder einfliessen, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Präsent und auch von seinen Bewegungen her absolut überzeugend war der launische Amerikaner mit seinem pomadisierten Haar. Die rund 90 Minuten dauernde Show war gleich zu Beginn weg fulminant, einlullend und nicht ein einziges Mal langweilig oder in welch’ Form auch immer redundant. So ziemlich alle im nicht ganz ausverkauften Saal, was ist nur los mit dieser Welt?, zeigten sich sichtlich dankbar – ein zuweilen überschäumender Enthusiasmus, der nicht selten in Ovationen gipfelte.
Wäre Mike Patton ein Objekt, wäre sicherlich jeder im Saal objektophil geworden: mit Haut und Haar!
Geschrieben von: Cyril Schicker