earMUSIC / VÖ: 23. September 2016 / Art Rock, Prog
marillion.com
Text: Michael Bohli
Es braucht etwas Zeit und Geduld, nicht zu vergessen die Aufmerksamkeit – aber dann sie die wunderbaren Momente wieder da. Die hymnischen Zeilen wie „Too Big To Fail – Too Big To Fall“ oder das Lament in „Living In FEAR“, die wunderbar integrierte Elektronik, welche „The Leavers“ sanft übernimmt – und immer wieder die Ausbrüche mit grossen Gitarrenläufen auf voller Breitseite. Marillion haben es selber bereits angekündigt, nun ist es klar: Ihr 18. Album „F**k Everyone And Run (FEAR)“ ist definitiv das Werk der Art-Rocker in diesem Jahrzehnt.
Die politische Betrachtung unserer Gesellschaft, der darin herrschenden Gier und Ungerechtigkeit, ist ein Stück Musik voller Lichtblicke und als Gesamtheit nicht nur eine formidable Rückkehr in Richtung Progressive Rock, sondern immerzu bezaubernd. Marillion verlassen sich zwar auf ihre bekannten Fähigkeiten und Motive, vermögen ihre in Jams gesammelten Ideen aber so zündend zu kombinieren wie schon lange nicht mehr. „F**k Everyone And Run“ verfügt nicht nur über drei Longtracks, sondern ist ein in sich geschlossener Kreislauf, der bestenfalls nicht in Einzelteile zerlegt wird. Wie bereits bei „Brave“ wirken alle Arrangements und Melodien als Gesamtheit am besten.
Steve Hogarth zeigt erneut, dass er der perfekte Frontmann und Sänger für die intensive und gefühlvolle Musik ist. Er fleht, wütet, sinniert und geht in der Musik komplett auf. Marillion wissen tiefgreifende Fragen wie „Why is nothing ever true?“ nicht abschliessend zu beantworten, angriffige Lieder wie „The New Kings“ sind aber wichtig und ungewohnt positionsbeziehend – auch wenn „The Leavers“ scheinbar nicht den Brexit behandelt. Durch den Verband aus diesen intelligenten Texten und den faszinierenden und sich immer bewegenden Sounds erhält man mit „F**k Everyone And Run“ das perfekteste Album der Band seit „Marbles“. An dieser Scheibe wird dieses Jahr kein Fan des Genres vorbei kommen.