Audiolith Records / VÖ: 1. März 2024 / Hip-Hop
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Text: David Spring
Ja, manchmal, aber nur manchmal, darfs auch ein bisschen Hip-Hop sein. Wenn man sich die Ohren meist nur mit harten Gitarren und wüstem Geschrei zuballert, können coole, tanzbare Beats und krasse Reime mit Attitüde ab und zu tatsächlich ganz gut tun. Doch um zu gefallen, muss es sich dann doch um etwas ganz Besonders handeln, wie zum Beispiel das vorzügliche Solo-Album «Cameo» von Marie Curry.
Die Hamburgerin ist einigen vielleicht als Mitglied der Rap-Gruppe Neonschwarz bekannt, die ihren durch wundervoll antifaschistische, queere und feministische Texte angereicherten Sound gerne als «Zeckenrap» bezeichnen. Schon nur deswegen darf man aufhorchen und etwas über den Genre-Tellerrand schielen. Die Platte beginnt mit dem Titeltrack, der uns mit gemütlichen Gitarren-Arpeggios und sattem Beat abholt, bevor uns Marie Curry in ihre Welt entführt. Schnell fällt da neben dem offensichtlichen Rap-Talent zudem eine hervorragend starke Gesangsstimme auf. So stehen bei ihren Songs auch lange nicht nur die Worte und Reime im Vordergrund, musikalisch bietet die Platte ebenfalls viel mehr, als man es aus dem Genre vielleicht kennt.
Da die Beats und Sounds nicht von irgendwelchen Mega-Producern stammen, sondern von Leuten aus dem direkten Umfeld Currys, fühlt sich die musikalische Vielfalt stets organisch und ehrlich an. Die meist entspannte, gemütliche Instrumentierung weckt Erinnerungen an Old-School-Deutschrap-Truppen wie Fanta4, Absolute Beginner oder den unvergleichlichen Blumio. Viel wichtiger als die Melodien aber sind die Worte – und diese beherrscht Marie Curry als äusserst geschickte Geschichtenerzählerin vortrefflich. Mit nur wenigen, gezielten Worten malt sie Bilder und plastische Szenen, die uns unweigerlich Teil ihrer Welt werden lassen.
Die Songs erzählen aus dem Alltag und nehmen uns mit auf durchzechte Nächte («Um den Block»), auf Roadtrips («Indigo») oder zum metaphorischen Fallschirmsprung («Knockout»). Am meisten und positivsten fällt zum einen «Geister» auf, ein intensiver Song, der nur von einer melancholischen Gitarre und Currys mächtigen Worten getragen wird. Zum andern ist da das geniale «Orcas», eine unverschämt tanzbare Nummer inklusive eines Features mit Milli Dance von Waving The Guns. Darin wird der mittlerweile berühmte Angriff von ein paar Killerwalen auf die Segelyacht irgendwelcher Milliardäre zur glorreichen Kapitalismuskritik und der Song somit zu einem der besten und wichtigsten überhaupt.
Vielleicht ist deutschsprachiger Rap und Hip-Hop nicht so deins, aber du wolltest immer schon wissen, warum Menschen diese Musikrichtungen so abfeiern? Dann ist «Cameo» von Marie Curry genau richtig für dich! Clever, eingängig, tanzbar und verdammt beeindruckend machen die Songs Spass, regen zum Mitdenken an und sollten von allen gehört werden. Ein bisschen Horizonterweiterung tut einfach gut, in der Musik wie auch im Leben, und hat bestimmt noch keiner und keinem geschadet.