Radicalis / VÖ: 4. März 2016 / Synthie Pop, Electronica
mantocliff.com
Text: Sebastian Leiggener
Manchmal braucht es eine gewisse Zeit, die richtigen Worte zu finden. Braucht es die notwendigen stillen Zwischenräume um sich im dichten Wald von Klängen zu verlieren und es braucht die perfekte Stimmung um zu finden, was man vermeintlich gar nicht sucht.
Das Album „Umbilical“ der Basler Band Mantocliff ist dieses Jahr wohl das Geschenk der Schweizer Musikwelt an Liebhaber von Electronica und melancholischem Synthie-Pop. Und ein weiterer Beweis der Vielfältigkeit der Musik in diesem kleinen Lande. Kurze, wahnsinnig intensive Zeitfenster voller farbiger Freude, schwebend einfach und gleichzeitig erdrückend schwerfällig. Elektronik in vollendeter Symbiose mit zartesten Bläser-Elementen und über allem diese einmalige Gesangsleistung, die von irgendwo aus der Ferne zu stammen scheint und dennoch stechend scharf und feuer flammend die Seele malträtiert.
Mit einer unglaublichen Vielfältigkeit vermögen Mantocliff dermassen einzigartig, ja nie dagewesen zu wirken. Mit ihrem Debut „Umbilical“ setzen sie sich selber damit eine enorm hohe Messlatte für kommende Projekte. Jeder der zehn Songs auf dem Album ist eine einzigartige Blüte eines rhythmischen Baumes voller experimenteller Musik. Die Wurzeln bilden die elektronischen Elemente. Der Synthesizer gräbt sich tief hinein und schafft eine solide, unumstössliche Klangstruktur.
„These Words“, ein elektronisches Kunstwerk wie mit Aquarell auf Leinwand gepinselt. Strammer Stamm des Aufbaus sind die instrumentalen Fingerfertigkeiten der Equipe rund um die Frontfrau Nives Onori. Mit Perkussion, Gitarre, Bass, Piano und einem ganzen Bläsersatz bilden sie das starke Fundament für das ausschweifende und weit verzweigte Ästegeflecht, das musikalisch so mannigfaltig daher kommt.
Mantocliff wagt Ausflüge in alle Ecken der Musik, grasen den gesamten Pop ab, lassen uns im Ambient und dezentem Trip-Hop schwermütig werden, gehen im Stück „Nebbio“ verspielt hinein in den Jazz, ganz wunderbar hört es sich an und immer wenn kurz das Gefühl entsteht, es wiederhole sich, oder werde einfältig, lassen Mantocliff wieder einen neuen Ast wachsen mit einer noch schöneren Klangblüte. „Sea Son“ und vor allem das „Intro“ zum zarten langgezogenen Song „Old Man“ leben vom dumpfen Drama des Blechs und letzteres ist alleine darum schon Wert, als eigener Song auf der Platte Erwähnung zu finden.
Doch das Lebenselixier dieses Klangbaumes ist die Stimme von Nives Onori. Sie schmiegt sich bei „How Loud“ seidengleich und sinnlich an die elektronischen und instrumentalen Klänge, bestäubt die minimalistischen Knospen. Ihre Wärme umhüllt jede einzelne klangliche Frucht und lässt die gesangliche Süsse in sie reifen, schön zu hören bei „Implosions“. Es wird kühl im Stück „Umbilical“, wie ein Herbstwind leicht fröstelnd, lässt sie die hauchdünnen Perkussionsblätter klingend erzittern, bevor sie sich mit dem letzten Lied der Scheibe „From Two To One“ gänzlich in allen Facetten färbt und wohlig warm den melodiösen Baum erstrahlen lässt.
Ich wünsche mir, dieser musikalische Indian Summer werde niemals enden und sehne mich gleichzeitig mit allem nochmal zu beginnen. Der Wurzel, der Knospe der Blüte, der Frucht und dem melancholischen Welken. Sehen wie sich alles zusammen zu einer Einheit verbindet, der vollkommene Kreislauf. Danke für dieses Geschenk des Frühlings, dass ich jetzt im Herbst so unglaublich zu schätzen vermag. Ich drücke Play und verlaufe mich wieder und wieder im düster schönen, mit hellen, tönenden Lichtungen versehenen Musikwald von Mantocliff.