PIAS Germany / VÖ: 16. Mai 2025 / Pop
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Text: David Spring
Ich gebe gerne zu, dass ich kaum eine Ahnung habe, was ausserhalb der Punk- und Metal-Szene in der wunderbaren Welt der Musik so geschieht. Der antrainierte Elitismus, den viele Fans harter Musik gegenüber Pop oder gar Genres wie R’n’B oder Rap empfinden, hält auch mich immer wieder davon ab, mal etwas Neues zu entdecken. Das ist schade, gibt es doch so unendlich viel fantastische Musik auf der Welt! Und darum wagen wir heute mal etwas und sprechen über Madanii.
Madanii ist eine in Berlin ansässige Künstlerin mit Wurzeln im Iran. Wie du dir vorstellen kannst, bringt das allerlei Gegensätze mit sich. Ihre musikalische Herangehensweise ist multikulturell und facettenreich, eine Genre-Rebellin, die Grenzen verwischt und Neues wagt. Wie der Titel und das Artwork der EP «Biilingual» deutlich machen, sind Madaniis Musik und Leben von den Unterschieden zwischen persischer Kultur und westlichen Einflüssen geprägt. Die geniale Vorabsingle «Dast/دست» zeigt diese Dichotomie eindrucksvoll: Die eindringliche Stimme, die persischen Lyrics und der unausweichliche Reggaeton-Beat gehen sofort ins Herz. Doch aufgepasst: Obwohl der Songtitel übersetzt eine Aufforderung zum Mitklatschen ist und der Song extrem tanzbar klingt, malt der Text ein ganz anderes Bild. Thema ist nämlich der Anschlag von Hanau im Jahr 2020, bei dem ein Rechtsradikaler neun Migrant:innen erschoss. Man spürt die Besorgnis und Betroffenheit der Sängerin lebhaft, auch ohne die Sprache zu verstehen.
«Stupiid Empathy» kehrt alles um und wirkt mit der zerbrechlichen Stimme Madaniis sowie spärlicher, ungewohnter Instrumentierung intim und beinahe intrusiv. Der fantastische, dieses Mal englische Text ist voller Erschöpfung, Schmerz und Verlangen und erzählt davon, wie sich die schonungslos ehrliche Sängerin von ihrer eigenen Empathie überfordert fühlt. Die Worte gehen verdammt nah. Alle, die in unserer kaputten Welt trotz allem für ihre Mitmenschen da sein wollen, werden sie tief mitfühlen. Vielleicht gar noch emotionaler ist «Elahii», das Madaniis Mutter gewidmet ist. Die bluesig-düstere Nummer behandelt Integration, Sprache und Mobbing. Die Zeile «I used to be ashamed of it but now I’m proud of my Māmān’s accent» zeigt wunderschön auf, wie viele Gedanken sich Menschen machen müssen, die nicht das Privileg haben, die Landessprache perfekt zu beherrschen oder wie alle anderen auszusehen.
Mit «Teheran Is Burning» folgt das unbequemste Lied im Bunde. Madanii macht hier heftig Gebrauch von Autotune – bewusst ins Extreme überspitzt – um den Inhalt so einschneidend wie möglich wirken zu lassen. Musikalisch irgendwo im Trap zu Hause, mit vertrackten Beats, einlullenden Strophenmelodien und einem Refrain, der sich widerspenstig im Kopf festkratzt. Auch die wüstesten Metal-Anschläge werden sich schwertun, eine unangenehmere und gleichzeitig effektivere Atmosphäre zu schaffen. Das folgende «Fiire» ist dagegen so poppig und melodiös, dass es fast eine Wohltat ist, denn du darfst zum Schluss nochmals aufatmen. Der Track baut dich wieder auf und macht Mut, was nach den wirklich intensiven Themen genau das Richtige ist: «I know your fire is burning low but you’ll be fine, you’ll be whole, you’ll be ok».
Es gibt so viel unglaublich starke, intensive, wichtige und schlicht wundervolle Musik auf dieser Welt. Sich immer wieder in denselben Genres zu bewegen, ist nicht falsch, aber es ist auch einfach schön, mal etwas Neues zu entdecken. Madanii macht Kunst, die berührt und bewegt, die gehört und gefühlt werden muss. In dieser zunehmend dunkler und schwieriger werdenden Realität ist es wertvoll, Künstler:innen an unserer Seite zu wissen, die ihre Erfahrungen, Ängste und Gedanken mit uns teilen. Vielleicht hilft es uns ja dabei, uns etwas weniger allein zu fühlen. Das wäre bereits sehr viel wert. Und darum ganz einfach: Danke, Madanii! Es war schön, deine musikalische Bekanntschaft zu machen.
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