Consouling Sounds / VÖ: 7. Juni 2024 / Black Metal, Hardcore
machukha.com
Text: David Spring
Die Welt ist längst kein schöner Ort mehr. Menschenleben werden rücksichtslos ausgelöscht, alles wird zerstört und trotzdem gibt es Menschen, die sich standhaft weigern, sich vom Leben unterkriegen zu lassen. So auch die aus der Ukraine stammende Künstlerin und Sängerin Natalya. Mit ihrer Band Machukha veröffentlicht sie nun ihr erstes Album, «Mochari», und damit eines der härtesten, unbequemsten und verstörendsten musikalischen Werke seit langem.
Der Opener «Trymatys’» beginnt mit schmerzerfüllten Schreien, bevor die Band in eine überwältigende Explosion ausbricht, die dich mit offenem Mund dastehen lässt. Machukha, übersetzt «Stiefmutter», zerren ihre musikalischen Einflüsse sowohl aus dem Hardcore-Punk wie auch aus dem Black Metal – und kreieren damit eine unfassbar rohe, qualvolle Mischung. Natalya trägt die Texte komplett in ihrer Muttersprache vor, und es sind diese unbeschreiblich heftigen Vocals, die aus kreativen, heavy Songs erst etwas wahrhaft Einzigartiges machen. Man spürt den Schmerz, die Wut, die Angst und das flehende Unverständnis mit jeder Silbe.
Im Zentrum des Albums stehen die Songs «Bezpliddya», «Inodi padaye snih tak lahidno krizʹ sosnovu khvoyu» und «Tsyu tayemnytsyu duzhe vazhko berehty». Der erste Teil dieser Trilogie ist furios. Danach nehmen Atmosphäre, Angst und Trauer Überhand. Melancholische, beunruhigende Gitarren untermalen den intimen Gesang, verstörende Schreie und gelegentliches lautes Aufbäumen lassen die Haare im Nacken zu Berg stehen. Der Text erzählt die Geschichte einer Frau, die allein in Schmerzen und ohne medizinische Hilfe über Stunden in den Wehen liegt, bis ihr Baby schliesslich tot zur Welt kommt. Katastrophal, vernichtend und unvorstellbar – es gibt zu viele und eigentlich doch keine Worte, die adäquat beschreiben, was diese Lieder in einem auslösen.
Es empfiehlt sich, auch den Kurzfilm zu schauen, der diese drei Songs begleitet, selbst wenn dieser, wie man sich vorstellen kann, nichts für schwache Nerven ist. Doch die Kunst von Machukha ist viel zu wichtig und viel zu real, um wegzuschauen. Mit «Kvit» wird die Stimmung zumindest musikalisch wieder aufgelockert, was nach dieser Tortur allerdings nicht viel bedeutet. Der gewaltige Post-Black-Metal-Track ist so erschlagend wie alles auf dieser Platte. Und weil das Leben immerwährend grausam ist, zerstört dich das abschliessende «Nezrushnist’» dann komplett. In neun Minuten lassen Machukha die gesamte angestaute Angst und Verzweiflung auf uns einschlagen, erst leise und bedrohlich, dann alles vernichtend.
Es ist schwierig, in Worte zu fassen, was man nach «Mochari» empfindet. Mehr als alles andere macht sich ein hoffnungsloses Gefühl der Ohnmacht breit. Warum muss unsere Welt so sein, dass ein solches Album überhaupt entstehet? Was Machukha hier abliefern, ist so kolossal erschlagend, dass kaum ein Schimmer Hoffnung für unsere Menschlichkeit bleibt. Die Band verleiht all diesen bitterernsten Gefühlen auf brutalste Art und Weise Ausdruck – und fordert uns damit auf, niemals wegzuschauen.
Dieses Album tut verdammt weh, aber genau darum ist es so immens wichtig, denn wir dürfen niemals aufgeben.