Band: M. Ward
Album: Think Of Spring
Genre: Folk
Label: ANTI-
VÖ: 11. Dezember 2020
Webseite: mwardmusic.com
M. Ward macht Folk-lastige artsy Musik, manchmal etwa mit Zooey Deschanel als Duo She & Him oder mit der Supergroup Monsters of Folk – und natürlich in etlichen Soloprojekten. Mit seinem einfachen Konzept von akustischer Gitarre und Stimme ist er recht effizient, insbesondere wenn er seine Songs nicht selber schreiben muss, wie dies bei seinen Cover-Projekten der Fall ist.
Deshalb – und vermutlich mangels Konzertmöglichkeiten im Corona-Jahr – hat es ihm heuer gleich für zwei volle Studioalben gereicht; um das neuere davon soll es hier gehen.
„Think Of Spring“ heisst das Album, das im Dezember erschienen ist. „Think Of Spring“: Ein Gedanke, der wohl nicht nur mit der bald erwachenden Jahreszeit zusammenhängt, sondern auch mit der Aussicht, dass Musiker ihr Leben im Frühling hoffentlich wieder normal führen können. Mit Konzerten.
Bis dahin ist bei M. Ward Holiday angesagt. Billie Holiday. Der Singer-Songwriter aus Portland ist ja durchaus Jazz-affin. Das zeigte er mit Kollegin Deschanel immer mal wieder. Gleich ein ganzes Album lang Billie Holidays Old-School-Swing, ursprünglich mit Big Bands und Jazz-Orchestern interpretiert, zum Flüster-Folk zu verdrehen, ist aber auch für ihn aussergewöhnlich.
Was M. Ward angesichts seines selbstverordneten Soundkonzepts mit diesen Songs tut, ist faktisch eine massive Reduktion aufs Allernotwendigste. M. Ward selber vergleicht laut Medientext zum neuen Album Holidays Soulstimme mit ihrer Bandbreite von jauchzender Begeisterung bis zur tiefsten Verzweiflung auch mit einer „perfekt verzerrten E-Gitarre“, die über einen „schwermütigen Ozean der Streicher“ schwebt. Seine Bearbeitung ist da im Endprodukt ein harter Kontrast zum Originalmaterial.
Mit der Gitarre geht M. Ward noch relativ differenziert ans Werk. „I Get Along Without You Very Well“ schrummt er im geraden Off-Beat, wie das der Folk verlangt. „It’s Easy To Remember“ ist so zärtlich gestreichelt wie der Gesang gehaucht. „You’ve Changed“ zupft er slowbluesig und „But Beautiful“ spielt er so, als wär’s Eric Claptons „Tears in Heaven“.
Interessant ist, wie er die Songs konsequent entswingt – also komplett auf den typischen Shuffle-Groove verzichtet – und sie damit wesentlich von ihrem Jazz-Kleid befreit. Damit bricht er den Rhythmus des Mainstream-Jazz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sollte seine These sein, dass dieser Rhythmus das wesentliche Definitionsmerkmal des Genres ist, dann gelingt ihm die Beweisführung dazu mit seinem Kontrast beeindruckend plausibel. Denn den Akkord-Konstrukten und insbesondere den Melodien bleibt er relativ treu, einzig die klavierbasierten Harmonien muss er sinnigerweise seinem Instrument angleichen.
Der andere Teil seines Interpretationsfreiflugs, der Gesang, ist wohl ebenso entscheidend für die Entjazzung der Jazz-Standards. Die notorisch verspätete Phrasierung der Zeilen, wie sie Sinatra, Holiday und ihresgleichen zu ihrer Zeit kultiviert hatten, interessiert ihn nicht. Zwar hält er sich auch nicht strikte an Schlagmuster, die der Schrumm-Rhythmus vorgibt. Dennoch singt, oder vielmehr flüstert, er den aufgefolkten Jazz-Song wie es Bob Dylan in seinen Jazz-Ausflügen versucht hat: fragmentartig, zuweilen gar etwas steif.
Im Endeffekt heisst das, dass sowohl die Instrumentalisten als auch der Sänger und alle damit zusammenhängenden Gefühlsbewegungen praktisch aus der ursprünglichen Idee der Songs verschwinden. Der Song nach M. Ward ist also nur noch das Skelett seiner selbst. Doch wie viel Song ist das dann noch, wenn man ihn seiner hineininterpretierten Emotionen beraubt? „Think Of Spring“ hat auf diese Frage ein paar mögliche Antworten parat. Mal fühlt sich eine Interpretation – etwa „I’m A Fool To Want You“ – wie der Raubzug eines Neo-Folk-Schufts an, dann wieder – wie im Schluss-Track „You Don’t Know What Love Is“ – schält er die Essenz der Komposition heraus und lässt den Hörer berührt zurück.
Tracklist:
1. I Get Along Without You Very Well
2. For Heaven’s Sake
3. It’s Easy To Remember
4. You’ve Changed
5. Violets For Your Furs
6. For All We Know
7. But Beautiful
8. All The Way
9. I’m A Fool To Want You
10. I’ll Be Around
11. You Don’t Know What Love Is
Bandmitglieder:
M. Ward – Gesang und Gitarre
Gründung:
1999
Text: David Kilchoer