Rookie Records / VÖ: 17. November 2023 / Post-Hardcore, Punk
letohamburg.de
Text: David Spring
Sieht man sich heutzutage in der Welt um, fällt es nicht schwer, schnell auf alles und jeden wütend zu werden. Viel zu kaputt und zerbrochen ist die Gesellschaft, viel zu einfach ist es, mit erhobenem Zeigefinger gegen alle anderen zu schimpfen. Bedeutend schwieriger ist es hingegen, gelegentlich auch selber in den angeknacksten Spiegel zu blicken. Eine Band, die genau dies tut, sind Leto aus Hamburg, dir nun ihr neustes Album «Leben und tot» am Start haben.
Der Sound von Leto war lange designiert undefiniert, auf dieser bereits dritten Platte jedoch geht das Quartett bedeutend zielstrebiger auf den Pfaden Post-Hardcore, Post-Punk und Emo, was ihnen sehr gut zu Gesicht steht. Der Opener «Süchtig nach allem» fällt ungestüm mit der Tür ins Haus. Rasanter Beat, eine sympathisch angeknackste Stimme und überraschend eingängige Melodien – man fühlt sich schnell wohl. Auch das folgende «Der tote Baron» gefällt augenblicklich. Vor allem die einzigartige Stimme von Sänger/Gitarrist Jannes sticht heraus. Beeindruckend, wie er in einem Moment noch verträumt und nachdenklich singt, um sich dann im nächsten schmerzverzerrt die Seele aus dem Leib zu schreien.
Inhaltlich sind Leto ebenfalls greifbarer und bewusst klarer geworden. Schnipselte man sich in Vergangenheit gerne an kryptischen Wortschöpfungen entlang, so finden sich auf Songs wie «Blackbox Lost», «31 Fehler» oder dem unmissverständlich betitelten «Bei Jobs, die man nicht erklären kann, fliesst das Geld entlang» ziemlich klare Worte. Wie erwähnt, wird der strenge Blick gerne auf das Selbst gerichtet. Natürlich dürfen Songs, die den Klimawandel oder die politische Situation des Landes besprechen, nicht fehlen, doch geht der Fokus vermehrt inwärts. Ein schmerzhaftes Lied wie das grossartige «Sechs», das den drohenden Krebstod einer guten Freundin thematisiert, zeigt eindrücklich, dass die Zeit für schwammige Worte passé ist.
Die Band findet ihren Weg und beginnt effizient, sich eine eigene Nische zu schaufeln, nachdem man sich bisher gerne auf von Bands wie Love A, Pascow oder Turbostaat geebneten Pfaden bewegten. Das Resultat ist ein aufregendes, spannendes Album von einer Band, die einiges zu erzählen hat und grosses kreatives Talent auffährt. Leto machen auf «Leben und tot» vieles richtig und beschreiten damit ihren eigenen Weg für die Zukunft. Die wilde, losgelöste Art und Weise, mit der sie ihre Songs runterbrettert, ist erfrischend und die klarere, direktere Sprache gefällt. Zweifellos werden uns Leto in Zukunft noch einiges abliefern, worauf wir uns freuen dürfen.