Band: Kerretta
Album: Pirohia
Genre: Experimental Rock
Label/Vertrieb: Midium / Golden Antenna
Veröffentlichung: 5. September 2014
Website: kerretta.com
Geschrieben von: Dennis Bäsecke-Beltrametti
Die repetitiv pulsierende Musik des neuseeländischen Trios Kerretta, die dieses auf seinem dritten Album „Pirohia“ erklingen lässt, atmet mit seinen Steigerungsformen und organisch wechselnden Stimmungen die ekstatische Sphäre einer nächtlichen Jamsession. Die schillernden Klanglandschaften konkretisieren sich jedoch immer wieder in einer handfesten Riffstruktur, oder verschnörkelten Groove-Patterns. Handwerklich feingeschliffene nonverbale Rockmusik, die mühelos durch verschiedene Stilbereiche vagabundiert ohne in einem Klischee einzurasten. Bei aller stilistischer Beweglichkeit bleibt jedoch der Sog notorischer Wiederholung die treibende Kraft des Albums.
Wenn man die Idee einer symphonischen Dichtung auf Rock-Musik übertragen wollte, wäre das vorliegende Album wohl eine gelungene Realisierung dieses Konzeptes. Ohne den Umweg verbaler Umschreibungen werden musikalisch verschiedene lebhafte Erzählstränge aufgebaut, die Projektionsfläche für eigene Bilder bieten. Stets getrieben vom rauschartigen Fluss der Musik ergibt sich eine gewisse Nähe zur Minimal Music eines Steve Reich, die auch in dem Mallet-Pattern von „Sister, Come Home“ anklingt.
Unter dem klatschenden Beat von „Ossein Trail“, der zunächst fast an Paul Kalkbrenner erinnern könnte, breitet ein federnder Bass einen gähnenden Klangabgrund aus, über dem zupfige elektronische Loops schwindelnde Kapriolen schlagen. Immer mehr verfestigt sich das Gebilde zum Rock-Sound, der nach dreieinhalb Minuten aus dem Nebel auftaucht, wie eine ehrfurchtgebietende Klippe. Ein starker und vielfarbiger Einstieg in das Album.
Bei dem folgenden Track „The Roar“, einem irgendwie urbanen Klangrelieff, arbeitet das Trio vor allem mit rhythmischen Verschiebungen und mehrdeutigen Takten. Das komplexe Geflecht entlädt sich dann im ersten „Ausbruch“ in einem kraftvollen 10-Achtel-Pattern und ebbt danach in gleichmässigem Pulsieren ab – bis zum nächsten ganz anderen Höhepunkt. „Warnlands“ (im gleichbleibenden Vierertakt) verschiebt dann den Fokus auf melodische Entwicklung; aus einer oszillierenden kleinen Terz der E-Gitarre werden nach und nach verschiedene melodische Wege erprobt, die auch im Grade ihrer „Freundlichkeit“ stark variieren. Von sanft gezupft bis zur stampfend schweren Verzerrung im Stile der Drop-D-Hymne „Aerials“ von System Of A Down wandert die Formation bruchlos hin und her.
Noch weiter gespannt ist das Härtegefälle in „Iron Hail“; ohne ihren roten Faden zu verlieren mäandert die Komposition zwischen neblig, diffusen Noise-Passagen, unheilvoll ratterndem Doom-Rock und cleanem Zupfen. Der Bass in „Kawea Tatou Ki Nga Hiwi“ kehrt zur kleinen Terz von „Warnlands“ zurück und baut dann als einzige menschliche Stimme ein altes Maori-Lied ein. Dabei öffnet sich die meditative Seite einer solch repetitiven Musik und offenbart intime Zwischentöne.
Dieses wirklich starke Album voller kräftiger Farben überzeugt auch ohne Frontsänger. Allerdings bleibt der Trance-Strom gänzlich ungebrochen, was trotz der ständigen Veränderung einen Nachgeschmack des Gleichbleibenden hinterlässt. Auch ist bei den Energieverläufen der Form auf das mittel einer Reduktion fast gänzlich zu Gunsten einer steten Verdichtung verzichtet worden, was wiederum eine gewisse Überforderung riskiert. Diese beiden Aspekte sind jedoch so offenhörlich im Sinne des Erfinders, dass sie als bewusst gesetzt betrachtet werden müssen.
Tracklist:
1. Ossein Trail
2. The Roar
3. Warnlands
4. His Streets Of Honey, Her Mouth Of Gold
5. Iron Hail
6. Kawea Tatou Ki Nga Hiwi
7. Sister, Come Home
8. The Last Rivers
Bandmitglieder:
David Holmes – Gitarre
William Waters – Bass
H. Walker – Schlagzeug
Gründung:
2005