Rock Action / VÖ: 30. Mai 2025 / Singer-Songwriter, Electronica
kathrynjoseph.co.uk
Text: Michael Messerli
Bist du der Wolf oder das Wild? Sitzt du im Fahrzeug oder bist du das überfahrene Tier? Das vierte Album von Kathryn Joseph beginnt unheilvoll. «Wolf.» trieft vor Blut und das überrascht bei der in Glasgow wohnhaften Songwriterin nicht. Neu ist der Zuwachs von Electronica, welche zusammen mit den bedrohlichen Beats Heavyness ohne schwere Gitarren erzeugen. Im Rückspiegel sind immer noch die vorangegangenen Alben erkennbar. Das ausgezeichnete, auf klassischem Piano aufgebaute Debüt und die Abkehr davon auf «For You Who Are The Wronged», das mit Keyboard seine Missbrauchsthematik meistens auf Stimme und Text reduziert. Dass das jetzt alles nicht nochmals so sein kann, legt «Harbour.» ebenso offen wie der Opener. Die Themen jedoch bleiben schmerzhaft. Es gab sie immer schon, die klaffenden Wunden. Kathryn Joseph ködert einen aber nicht. Das Biest ist jederzeit im Blickfeld.
Die in Inverness geborene Schottin verarbeitete auf dem Debüt den Verlust ihres Sohnes, dessen Name Joseph sie seither in ihrem Bühnennamen trägt. Sie veröffentlicht ihre Alben mittlerweile auf dem Label Rock Action von Mogwai, mit denen sie in diesem Jahr auch auf Tour geht. Ihr musikalischer Weggefährte ist der Produzent Lomond Campbell, der sie auch live unterstützt. Die Markenzeichen von Kathryn Joseph sind ihre vibrierende Stimme und die sich oft – aber nicht immer – wiederholenden, rhythmischen Tasten-Patterns. Das geht nahe, gräbt tief und wälzt um.
Und weil es schwierig ist, die Intimität des Debüts nochmals herzustellen, zerreisst «We Were Made Prey.» nicht das Herz, sondern den ganzen Körper. In der ersten Albumhälfte werden die Dinge in Frage gestellt, in der zweiten beginnt die Suche nach der Wahrheit. So wirkt das wunderschöne «Hold.» schon fast hoffnungsvoll, ein Lied, welches das Weitermachen in den Vordergrund stellt. Zuvor nimmt «Deer.» dem Album bereits etwas von seiner Bedrohlichkeit. Es besinnt sich langsam auf das, was noch da ist und nicht auf das, was verlorenging. So kommt auf verschiedenen Ebenen eine Kathryn Joseph zum Vorschein, die man so noch nicht kannte. Auf «We Were Made Prey.» bewegt sie sich ein wenig weg von der bisherigen Rohheit, beschliesst das Album sogar fast versöhnlich. Und bei aller Schönheit ihrer Musik: Davon war sie bis zu diesem Zeitpunkt sehr weit entfernt.
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