17. Dezember 2010
Rote Fabrik – Zürich
Im Gespräch mit: Franz Treichler und Bernard Trontin von The Young Gods
25 Jahre The Young Gods! Die Pioniere der elektronischen Musik faszinieren auch heute noch und klingen frisch und energiegeladen wie eh und je. Wir durften die Band vor ihrem Konzert in Zürich treffen und haben ein paar Fragen zur Geschichte und zu ihrem neuen Album gestellt.
Nicole: Die Young Gods gibt es mittlerweile seit 25 Jahren. In dieser Zeit habt ihr ständig neue Elemente gefunden und damit den einzigartigen Young Gods-Sound weiter entwickelt. Mit jedem Album kamen auch neue Fans dazu, gerade euer akustisches Album war ein grosser Erfolg. Und eure aktuelle Scheibe „Everybody Knows“ ist für mich eine Mischung aus dem ganzen Young Gods-Repertoire.
Franz: Ja, das stimmt schon. Unser Akustik-Album hat die Bandbreite der Zuhörer definitiv vergrössert. Wahrscheinlich lag es einfach daran, dass es, sagen wir mal, hörerfreundlicher war, als unsere elektronische Musik.
Hat es dir Spass gemacht, die „alten“ Songs akustisch Umzusetzen?
Franz: Ja sehr. Vor allem als Sänger habe ich dazu gelernt. Die Tonbreite war um einiges grösser und vielseitiger, zum Teil auch leiser. So konnte ich mit dem Gesang viel mehr spielen. Und schlussendlich hat sich das ganze Projekt in die Länge gezogen, was wir nicht erwartet hätten. Es hat richtig Spass gemacht.
Wenn du auf die 25 Jahre Bandbestehen zurück blickst. Hat sich das Publikum deiner Meinung nach verändert?
Franz: Auf alle Fälle. In 25 Jahren kann sehr viel passieren. Gerade in meiner Generation. Wie auch wir haben die Leute vielleicht mittlerweile Familie, gehen nicht mehr so viel aus oder hören weniger Musik als früher. Wir haben Fans, die sind seit Anfang an mit dabei. Dann wiederum wechselt sich das Bild etwa jede Dekade. Leute springen irgendwo auf den Zug auf und verlassen ihn wieder.
Hattet ihr als Young Gods am Anfang Ideale oder Prinzipien, die ihr als wichtig empfunden hattet, denen ihr als Band treu sein wolltet, die sich jedoch im Laufe der Zeit trotzdem relativiert haben?
Franz: Das ist schwer zu sagen. Als wir jünger waren hatten wir sicherlich noch mehr Ambitionen. Was ich momentan ein bisschen vermisse ist, dass wir nicht wie z.B. noch in den 90ern weltweit auf Tournee fahren. Wir waren damals in den USA oder Australien. Das ist etwas schade. Doch in der heutigen Zeit ist es immer schwieriger solche Tours durchzuführen. Ich fände es auf alle Fälle schön, wenn wir wieder in diese Länder reisen könnten. Denn wir haben dort auch immer noch Fans, von denen wir regelmässig Feedback bekommen. Gerade als das neue Album „Everybody Knows“ heraus kam wurden wir z.B. via Facebook angeschrieben. Da schrieb ein Fan, „..everybody knows, that you don’t get your ass to the States anymore“ (jeder weiss, dass ihr euren A*** nicht mehr in die Staaten bringt).
Ist das wahr?
Franz: Ja, das stimmt schon. Wir haben zwar einmal noch in New York gespielt, aber nicht im Rest der Staaten.
Franz, du hast ja eine Weile in New York gelebt. Wie war diese Zeit für dich?
Franz: Stimmt, das war Mitte 90er. Wir waren damals dort, um ein Album zu produzieren und sind schlussendlich länger geblieben, als erwartet. Es war eine grossartige Zeit für mich. Ich habe sehr viel geschrieben und die Stadt genossen. New York ist eine spannende und schnelllebige Stadt. Als ich jedoch einige Jahre später wieder einmal dort war, hat es mich etwas schockiert, wie stark sich alles verändert hatte. Kunstgalerien sind heute z.B. Fashion-Galleries. Alles ist auf Show und Glamour getrimmt. Doch trotzdem, New York ist eine tolle Stadt.
Auf eurem neuen Album gibt es das Stück „No Lands Man“. Heisst das so viel wie, dass ihr überall zu Hause seit?
Franz: Ja, auf der einen Seite heisst es bestimmt das. Auf der anderen Seite soll es eine Referenz zum gegenwärtigen Geschehen in Europa sein. Es geht darum, dass einerseits die Grenzen immer offener werden, hingegen es andererseits gerade für Immigranten immer schwieriger wird, eine Heimat zu finden und akzeptiert zu werden. Es geht um diese Grenzen, die nicht mehr hier sind und wie die Gesellschaft damit umgeht. Seit die Berliner Mauer gefallen ist und seit die Grenzen nicht mehr so sichtbar sind, bauen wir uns unsere eigenen Grenzen. Oder z.B. die ganze rechte Bewegung, die wieder stark zugenommen hat. Diese Bewegungen sind überall und der Fremdenhass nimmt immer mehr zu.
Und was bedeutet Heimat für euch?
Bernard: Ich komme ja ursprünglich aus Frankreich und bin als Kind mit meinen Eltern in die Schweiz gezogen. Wir haben jedoch so nahe an der Grenze gelebt, dass es für mich gar keine richtige Grenze gab. „No Lands Man“ heisst für mich also auch, dass es keine Grenzen gibt und diese nicht fühlbar ist. Zu Fuss ist man in ein paar Minuten von Genf in Frankreich.
Franz: Die Schweiz bedeutet für mich Heimat, definitiv. Ich bin in Fribourg aufgewachsen und mit 16 Jahren nach Genf gezogen. Als wir damals New York wieder verlassen hatten, haben wir unser gesamtes Equipment, wir hatten dort drüben ein komplettes Tonstudio aufgebaut, wieder in die Schweiz zurück gebracht. Wir hatten gelernt, dass wenn du dir als Band in den Staaten einen Namen machen willst, musst du für immer dort bleiben. Und weil ich die Wurzeln zur Schweiz nicht verlieren und aufgeben wollte, war dies die richtige Entscheidung.
Es gibt mehr als nur eine namhafte Band wie z.B. Nine Inch Nails, die The Young Gods als prägenden Einfluss auf ihre eigene Musik nennen. Ihr seid weltweit bekannt und geschätzt und doch in der Schweiz immer noch teilweise unbekannt. Was würdet ihr als eure Einflüsse bezeichnen?
Franz: Diese Bands die uns nennen, haben auch für uns immer eine wichtige Rolle gespielt. In der Schweiz waren wir schon immer in der Lage UK- oder US-Importe von Musik-Alben kaufen zu können, was sicherlich viel dazu beigetragen hat eine grosse Vielfalt und Offenheit in unserem Land hervorzubringen. Wenn du nur schon an die vielen Sprachen in der Schweiz denkst. Wir sind ein einziges funktionierendes Patchwork-Gebilde. Und gerade auch in der Kunst, also nicht nur Musiker, sondern Künstler wie Tinguely oder Giacometti benutzen die gleiche Collage-Technik, um verschiedene Einflüssen und Kulturen zu vermischen. Das macht die Schweiz so einzigartig. Und weil du vom Markt und der Grösse einer Band gesprochen hast, da ist es halt so, dass die Schweiz an sich sehr klein ist. Als wir angefangen hatten, da gab es diese ganzen Infrastrukturen mit Plattenlabels und Musik-Clubs noch gar nicht. Und es ist noch immer sehr schwierig über die Landesgrenzen hinaus Erfolg zu haben.
Mich persönlich ärgert und irritiert der Erfolg von so manchem aktuellen Künstler, die tagein, tagaus im Radio gespielt werden. Es wird sehr viel „Müll“ (a.d.R. sorry) produziert der trotzdem erfolgreich wird. Heutzutage wird den jungen Leuten vorgegaukelt, dass es nicht darauf ankommt, dass sie etwas gut und mit Herzblut machen sollen, sondern Hauptsache es ist genug doof und schrill, damit es auffällt. Was haltet ihr davon?
Bernard: Das ist schon so. Doch ich persönlich z.B. habe die meisten Einflüsse von Bands, die nicht bekannt sind und nicht im Radio laufen und trotzdem in der Musikerszene sehr beliebt sind.
Franz: Diese internationalen Stars sind vor allem bekannt durch ihren auffälligen Lebensstil und ihre Person als solches, nicht einzig wegen deren Musik. Ich liebe z.B. das letzte Album von Amy Winehouse und finde sie eine grossartige Sängerin. Doch der ganze Rummel um ihre Person und die Gerüchteküche, das nervt schon. Ich wünschte mir für sie, dass jemand ihr gehörig in den A*** tritt und sie ein neues Album machen würde, anstatt durch die Klatsch-Magazine gezerrt zu werden. Und nebst all dem kommt es darauf an, was jeder Mensch aus seinem Leben und seinem Talent machen möchte. Wir selber hatten immer das Glück und die Freiheit machen zu dürfen, was wir wollen.
Ihr selber wart schon immer aktiv in der Kunstszene und unterstützt diese gerade in Genf so gut als möglich. Was wird sich eurer Meinung in den nächsten Jahren ändern, wieso wird es immer schwieriger für junge Künstler in unserem Land?
Franz: Lokale wie hier die Rote Fabrik und in Genf das Artemis verschwinden immer mehr, das stimmt. Und deshalb wird es für junge Künstler und Bands immer schwieriger Raum zum Proben und Auftreten zu finden. Dabei würde die Qualität immer besser, je mehr solche Räume zur Verfügung stehen würden, denn je mehr geprobt werden kann, umso besser. Auch der Austausch der an solchen Orten stattfindet fördert und regt an. Da wird nicht nur Musik gespielt. Gerade im Artemis gab es ein Kino, Konzertlokale, Maler, DJs, Internetradio und eine Vielfalt an Künstlern, die dort zusammen kamen und sich inspirierten. Doch leider wurden in den letzten Jahren immer mehr solcher Plätze geschlossen, wie auch das Artamis. Und dies sicherlich nicht nur wegen der schlechten Konjunkturlage, sondern vielmehr wegen Profitgier und solchen Dingen. Wir haben in Genf bereits schon mit den zuständigen Behörden gesprochen, doch auch denen sind die Hände gebunden. Sie möchten gerne mehr für die Kultur unternehmen, es gibt allerdings zu wenig Budget dafür. Und Kunst wirft grundsätzlich zu wenig Rendite ab, als dass sie für Investoren interessant wäre, leider.
Jetzt haben wir so einiges aus den letzten 25 Jahren und eurem Leben erfahren. Was erwartet ihr von der Zukunft und den nächsten 25 Jahren?
Franz: Uii, das ist eine schwierige Frage. Graue Haare vielleicht.
Bernard: Ich nehme definitiv die grauen Haare und weniger Zähne.
Franz: Wir nehmen immer einen Schritt nach dem anderen und denken nicht an die Zukunft. Wir wissen, dass wir bis nächsten Sommer auf Tour sind und dafür unser Bestes geben werden. Das ist unser Hauptplan im Moment. Danach machen wir eine kurze Pause und denken über neue Pläne nach.
Das klingt doch gut. Ich danke euch für das aufschlussreiche Gespräch und alles Gute.
Franz: Gern geschehen und danke auch.
Bernard: Alles Gute.
Interview: Nicole Imhof