Datum: 9. Juli 2011
Ort: Sedel – Luzern
Geschrieben von: AJ
Im Gespräch mit: Peter Trattnig und Wilhelm Degner von SECTOR:HATE
Am Samstag, 9. Juli an der Fleischgeil in Luzern konnten wir uns wieder einmal über besonderen Besuch erfreuen: SECTOR:HATE traten live auf. Im Vorfeld an ein tolles Konzert nahmen sich Peter und Willi freundlicherweise die Zeit, um unsere Fragen beantworten zu können.
Anouschka: Gehen wir doch erst Mal zurück zu den Anfängen. Wie seit ihr 2004 eigentlich dazu gekommen, Sector:Hate zu gründen?
Willi: Wir haben viel Musik gehört und gingen viel weg. 2004 war eine Zeit, in welcher sich musikalisch sehr wenig entwickelt hat. Es gab einige Sachen, welche uns gefallen haben und andere, bei welchen wir dachten: „Ok, da geht noch mehr, das ist zu wenig elektronisch im Moment.“ Daher haben wir beschlossen, selbst anzufangen. Peter kann Musik machen, bei mir waren auch schon Erfahrungen da, daher, lass uns wo ansetzen und loslegen.
A: Gut, mittlerweile gibt es euch schon seit 7 Jahren. Wie sieht ihr diese Zeit rückblickend?
Willi: Es sind lange Durststrecken dabei gewesen, weil es lange gedauert hat, bis wir an den Punkt gekommen sind, bei welchem wir wussten, was für Musik wir machen wollten. Peter kam aus der Metalecke, ich aus der des Techno-
Peter: …ich komme auch aus der Technoecke. 🙂
Willi: …ja beides. 🙂 Wir haben ein bisschen Zeit benötigt, um musikalisch etwas zu entwickeln, was wir beide wollen und uns Spass macht. Martin ist erst später eingestiegen, aber weil er aus einem ähnlich elektronisch-musikalischen Umfeld stammt, war es kein Problem, dass er erst später zu uns stiess.
A: Wie habt ihr euch als Band und als Personen in den letzten 7 Jahren entwickelt?
Willi: Massiv. Ich habe bemerkt, dass ich musikalisch mehr Wert auf gute Sachen lege. Früher war mir das egal. Hauptsache, es hat geknallt und Party gemacht. Dadurch, dass man selbst Musik macht, hört man Musik anders. Du hörst schnell Dinge raus, bei welchen du merkst: “Neee, gefällt mir nicht.“ Ich bin wählerischer geworden, geniesse Musik aber dafür umso intensiver.
Peter: Man lernt ewig. Was du auch immer machst. Du machst Fehler, aus welchen du lernst. Eigentlich ständig. Bei unseren ersten Sachen dachten wir nach einem Jahr, ok, das war nichts und haben uns mehr Mühe gegeben, anders zu produzieren..
Willi: Wir sind viel pingeliger geworden. Wenn wir beginnen, einen Song zu komponieren und uns zusammen setzten und überlegen, was die Idee dahinter ist und wie wir ihn aufbauen, dann diskutieren wir nicht mehr so viel, weil wir einfach eingespielter und viel präziser und genauer dabei geworden sind.
A: Wie euer Bandname Sector:Hate schon beinhaltet, setzt ihr euren Fokus auf das Thema Hass?
Willi: Das war während einer Zeit, wo bei uns beiden eine Menge im Umbruch war. Da waren auch viele schmerzhafte Sachen dabei und irgendwie musst du diese Gefühle dann rauslassen können. Das heisst, deinen Hass und auch deine Wut auf etwas zu projizieren. Das war einer der Gründe, weswegen wir angefangen haben, Musik zu machen. Damit das irgendwie einen Kanal bekommt. Wir haben uns das lange überlegt und dann kam irgendwann die Idee von Sector:Hate.
Es gibt so viele Facetten, was das Thema Emotionen betrifft und Musik besteht nur darin, diese auszudrücken. Wir wollen uns dabei auf diesen Teil konzentrieren.
A: Was denkt ihr, wie sollten die Menschen allgemein mit Hass umgehen?
Willi: Sehr bewusst. Hass ist eine sehr unkontrollierbare Emotion.
Peter: …wie Liebe…
Willi: Genau. Es ist auch eine sehr gefährliche Emotion. Man sollte sich ein Bewusstsein dafür schaffen. Ich habe diese Entwicklung bei mir selbst festgestellt. Ich bin mir bewusst geworden, wie ich denke und fühle und wie ich damit umgehe. Wenn das andere auch nach und nach lernen, umso besser.
A: Erich Fromm hat Hass in zwei Arten definiert; da wäre zum einen der reaktive Hass, als Reaktion auf einen Angriff, wenn man sich selbst, seine Ideale oder Angehörige in Gefahr sieht. Er definiert dies als eine Art „positiven“ Hass, was meint ihr dazu?
Peter: Hass, ist einfach Hass. Ich differenziere das nicht in reaktiven oder positiven Hass. Hass ist eine persönliche Emotion an sich, welche jeder mit sich selbst ausmachen muss. In meinen Augen gibt es den destruktiven, sowie auch den konstruktiven Hass.
Willi: Für mich bedeutet das einfach Selbstverteidigung. Man tut, was man in diesem Moment kann. Dieses reaktive Handeln wird von etwas Äusserem ausgelöst, deswegen reagierst du darauf. Aber es gibt auch Situationen, in welchen Hass ohne äusseren Einfluss entsteht und dieser Grenzbereich ist gefährlich. Ich finde ihn sehr interessant um zu sehen, wie ich und andere damit umgehen.
A: Ihr schreibt ja selbst auf eurer Homepage, dass ihr mit eurer Musik die Menschen zum Nachdenken bewegen wollt. Denkt ihr, ihr schafft es, zu den Menschen durchzudringen? Habt ihr diesbezüglich schon irgendwelche Erfahrungen machen können?
Willi: Wir haben beide beschlossen, dass wir mit unserer Musik nicht missionieren wollen. Das funktioniert nicht. Die Bands, welche ich kenne und dies machen, wirken verkrampft und deswegen ist der Versuch für mich auch sinnlos. Wir haben noch nicht so viel Kontinuität in den Sachen, mit welchen wir auftreten, um jetzt ein Feedback geben zu können. Es gibt Leute, welche sich das anhören und mit uns darüber sprechen. Solche Situationen ergeben sich meist im persönlichen Umfeld mit Menschen, welche uns als Personen und auch als Band kennen. So vom Publikum direkt weiss ich es nicht, dass wird sich mit den Jahren zeigen.
A: Ihr habt zu Beginn dieses Jahres euer neues Album veröffentlicht: Five chapters of human failure. Wie seit ihr auf diese einzelnen Kapitel gekommen und wieso in dieser Reihenfolge?
Peter: Es gibt verschiedene Formen für den Ausdruck von Hass und auch anderen negativen Emotionen oder Wörtern, welche in erster Linie nicht positiv sind, wie zum Beispiel anger oder self-destruction. Wir haben versucht, die jeweiligen Chapters schematisch und auch teilweise sarkastisch darzustellen. Jeder soll sich selbst Gedanken machen, weswegen wir diese Chapters gemacht haben. Wie schon erwähnt, haben wir in diesen Songs auch persönliches verarbeitet und wir legen Wert darauf, dass die Texte trotz Verzerrung verständlich bleiben.
A: Was sind eure Favoriten auf dem Album?
Willy: „Industrial Human Energy“ gefällt mir sehr gut und „Fading Lights“ finde ich grossartig. Ein, zwei Songs sind meine Favoriten, Peter und ich streiten uns da regelmässig. Wir wissen beide bei unseren Songs, dass diese unsere Handschrift tragen und ich finde alle Songs soweit gelungen. Einige funktionieren nur, wenn man sich diese zu Hause anhört und kommen live nicht gut rüber. Es ist daher kein Album, dass sich eins zu eins auf der Bühne übertragen lässt. Wir arbeiten aber gerade an diesem Problem. Inzwischen haben wir auch schon wieder ein paar neue Songs und das neue Album wird auch ein anderes Konzept aufweisen, da wir auch viele neue Ideen haben.
A: Was habt ihr dieses Jahr für Pläne?
Peter: Wir haben noch einen Gig in Heidelberg, welcher zu Zeit als einziger feststeht. Wir wollen noch unser Studio verbessern, umstrukturieren und weiter Musik machen. Dabei wollen wir uns nicht nach einem Ziel richten und dies umsetzen, sondern nachdem, wie wir uns fühlen, auf was wir Bock haben und es sich für uns am besten anhört. Natürlich wollen wir uns auch nach der Frage richten, wie funktioniert der Song live, ist er auch für andere oder nur für uns cool.
Willy: Wir haben Songs geschrieben, die erst nur für uns waren. Einige davon sind auf keinem Album, ein paar davon werden wir vielleicht überarbeiten. Es gibt auch einige Songs, bei welchen wir die Idee gut finden, sie sind aber noch nicht reif für die Menschheit. Wenn man ein Album macht und fertig damit ist, hat man lange daran gearbeitet und kann schlussendlich nichts mehr daran ändern. Wir haben noch ein paar Sachen, welche noch nicht soweit sind.
Wir wollen sicher mehr auftreten, weil wir dies gerne machen und uns Spass macht, aber werden sicher auch vermehrt im Studio sitzen und neue Songs produzieren.
A: Wie seht ihr das längerfristig mit Sector: Hate? Wollt ihr allenfalls einzeln oder mit anderen Künstlern zusammen arbeiten?
Peter: Für Suono machen wir einen Remix. Wir selbst wollen keine anderen Künster remixen oder jeden unserer Songs remixen und neu auflegen lassen. Dieser Remixwahn tritt in dieser Szene überdimensional auf und ich kann nicht verstehen, weswegen ein Song, welcher von Grund auf gut ist, zu remixen. Bei anderen Künstlern ist es mir wichtig, dass ich mich mit ihnen verstehe. Wenn ich merke, dass ich mit einem Obersnob zusammen arbeite, hat es für mich keinen Sinn, weil ich weiss, dass es nicht hinhauen wird. Doch wir sind nicht abgeneigt, mit anderen auf freundschaftlicher Basis zusammen zu arbeiten.
Mein „richtiges“ Leben neben Sector:Hate lässt mir gerade genügend Zeit für unser Projekt. Deswegen konzentriere ich mich lieber auf mein Hauptprojekt, bevor ich ein Nebenprojekt beginne, um welches ich mich nur halbherzig kümmern kann.
Willy: Martin hatte ein Nebenprojekt, bevor er zu uns gestossen ist. Ob er mit diesem später weiter macht, weiss ich nicht, dass wird er selbst entscheiden. Ich könnte mir ganz gut eine Zusammenarbeit mit anderen Musikern vorstellen, aber da ist momentan nichts geplant.
Da wir unterschiedliche musikalische Wurzeln haben, ist es eigentlich kein Problem, wenn man sich einen Monat lang kurz ausklinkt, doch ist wie gesagt, momentan nichts in Planung.
A: Dann freue ich mich „kurzfristig“ auf euren Auftritt, herzlichen Dank für das Gespräch und euch viel Spass während dem Konzert!
Beide: Danke! Werden wir bestimmt haben!
Spass schien die Band auf der Bühne auf jeden Fall gehabt zu haben: SECTOR:HATE überzeugten mit einem musikalisch abwechslungsreichen Konzert, bei welchem sie auch die anwesenden Gästen, welche sich das Konzert anhörten, mitreissen konnten.
Auch die anschliessende Party stiess auf Begeisterung, es herrschte eine ausgelassene Stimmung und die Gäste brachten den Sedel definitiv zum Kochen.
Pics by Francesco Tancredi; Herzlichen Dank dafür! 🙂