Grand Hotel van Cleef / VÖ: 4. April 2025 / Indie-Rock
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Text: David Spring
Wenn du heute als Band auf Social Media nicht täglich irgendetwas raushaust, egal wie stumpfsinnig und inhaltslos, bist du weg vom Fenster. Da bricht dir der Algorithmus sofort das Genick und findet umgehend den nächsten heissen Scheiss. Darum wirkt es fast unvorstellbar, dass eine Band wie Herrenmagazin zehn Jahre lang nahezu nichts von sich hören lässt und nun auf einmal ein neues Album am Start hat.
«Du hast hier nichts verloren» heisst das frohe Stück, und «Alter Debütant» legt gleich mit einem glorreich kantigen Riff los. Oh welch Freude, was für ein fantastischer Track! Der Sound von Herrenmagazin ist immer noch irgendwo im Indie Rock zu Hause. Etwas Madsen, etwas R.E.M., hier Erinnerungen an die Sporties, da mal bei The Killers hinter den Vorhang geblinzelt. Dazu gehört zum Erfolgsrezept eine ultra-sympathische Portion Positivität sowie ehrliche und durchaus kritische Introspektive. Dem erstklassigen Opener folgt das gut gelaunte «Fragment» mit treibendem Beat, wundervollen Melodien und einem vorzüglichen Text: «ich bin und bleibe ein Fragment, ich bin und bleibe meinen besten Freunden fremd.»
Ja, Herrenmagazin machen wundervolle Musik, doch sind es vor allem die Texte, die sie von der breiten Masse abheben. Wo viele musikalisch vergleichbare Bands sich entweder in verkopfter Verbosität verlieren oder ungebremst dem Nihilismus frönen, bleibt das Quartett aus Hamburg einfach positiv. Dabei sind wir weit von Kitsch und Belanglosigkeit entfernt, viel lieber schaut die Band in ihren Texten auf sich selbst und die Menschen um sie herum. Wenn «Kontext» die Ratlosigkeit angesichts grosser und kleiner Fragen des Lebens thematisiert oder «Unvollständig» das bisherige Leben auf eine Weise reflektiert, wie es ein Michael Stipe (R.E.M.) nicht schöner hätte tun können, ist das eine Freude. Und wenn der Albumtitel im peitschenden «Mit halbleeren Worten» mit Inbrunst gesungen wird, merkst du, dass Herrenmagazin hier etwas wahrlich Grosses geschaffen haben.
Vielleicht schrammeln die Gitarren nicht mehr ganz so ungehobelt wie früher, dafür klingt das Album einladend, umarmend und ja, erwachsen. Das will nicht heissen, dass Herrenmagazin nicht auch ab und zu richtig zu Potte kommen. Die Balance zwischen wunderschönen Melodien wie im balladesken «Harte Hände» oder dem sanften «Ich bin für dich da» und amtlich rockenden Tracks wie dem grunge-igen «Wütende Gespenster» oder dem nachdenklich schnoddrigen «Schleifen» ist perfekt. Die Songs sind ausgeglichen, ehrlich und intim. Die Platte ist der ultimative Soundtrack für nachdenkliche Stunden allein, für lange Zugfahrten, windige Spaziergänge oder gemütliche Nachmittage auf der Couch.
Manchmal braucht es eben zehn Jahre, doch wenn das Resultat so gut wie «Du hast hier nichts verloren» ist, hat sich das Warten hundertfach gelohnt. Herrenmagazin beweisen, dass sie nicht nur immer noch viel zu sagen haben, sondern nach all den Jahren genauso pointiert, relevant, clever und grossartig sind wie eh und je. Danke, dass ihr wieder da seid, es war ganz schön fad und öde ohne euch!
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