
Lion Crew Records, Black Cat Tapes / VÖ: 14. November 2025 / Punk, Post-Hardcore
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Text: David Spring
Totgesagte leben bekanntlich länger. Und niemand ist so tot wie der Punk, dauert dessen Abspann doch schon so unglaublich lange, dass kaum mehr jemand weiss, wer überhaupt daran schuld war. Ebenfalls totgeglaubt waren bis vor kurzem auch die vorzüglichen Berliner Dreampop-Extravaganzas von Goldzilla, die erst gerade noch mit Günther And The Jauchs gemeinsame Sache machten, danach ihren Abgang bekanntgaben und nun, mir nichts dir nichts, einfach ein neues Album aus dem Ärmel geschüttelt haben. «Goldzilla vs die Zeit» heisst das Werk, und ja: Du darfst dich auf etwas gefasst machen.
Goldzilla fackeln nicht lange. Sobald die ersten Gitarrenwände im Opener «Am Ende aller Träume steht die Realität» über dich hereinbrechen, fühlst du dich wie von einer lange vergessenen, ultraflauschigen Decke umarmt. Die ernüchternde Kernaussage des Songs schwingt mit der flehenden Feststellung «ihr macht alles kaputt» unheilvoll mit, doch du fühlst dich verstanden und geborgen. Das folgende «Delorean» verstärkt dieses Gefühl mit seinem wunderschönen Refrain noch um ein Vielfaches und auch der melancholische Entfremdungstext tut sein Übriges. Um hier noch mit einer prätentiös-obskuren Referenz in den Raum zu fallen: Die fabelhaften Gitarrenharmonien und Akkordstrukturen könnten gut und gerne aus der Hand der baskischen Hardcore-Bastion Berri Txarrak stammen. Glaubt mir einfach, ist so und lieben wir.
Doch wie klingen Goldzilla nun? Da ist die wütende Energie und Rebellion des Punks, die immer wieder giftig hervorsticht. Da ist viel Post in all seinen Formen, sei es die schiere, erdrückende Wucht des Post-Hardcores oder die träumerische Chorus-Fülle des Post-Punks. Etwas Shoegaze gibt es auch, und ganz viel Pop. Laut Promo-Text ist es eigentlich alles, alles ausser – und das mit Nachdruck – Glitzerpunk. Woher der Hass auf Glitzer kommt, muss nicht erörtert werden, wichtiger ist die Musik und die wird bei Fans der Deftones, The TCHIK, Madonna, Schrottgrenze oder eben Berri Txarrak grosse Freunde finden. «Menschenfleischmotor» zum Beispiel zieht unbändig nach vorne und überzeugt mit glorreichen Harmonien und felswandhohen Gitarrenmauern. «Keine Armee» wiederum lässt dich wütend die Faust recken, während der beinahe nu-metallige Groove (so, das habt ihr nun mit eurer Glitzerverachtung, liebe Goldies!) dich ordentlich wachrüttelt.
So warm und angenehm die Musik dich mitzieht, so schonungslos sind die Inhalte. Themen sind der moralische Untergang unserer Gesellschaft, der Zerfall des Zwischenmenschlichen, die Unaufhaltsamkeit der Zeit und die Unfähigkeit der Menschen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Dabei blitzt immer wieder spitzzüngiger Humor durch, etwa im vielleicht stärksten Song der Platte, «Friede, Freude, Pustekuchen», wo dir die Zeile «Mastek ist verheilt, mein Stimmbruch ist vorbei. Alles was ich will reimt sich auf keine Polizei» garantiert ein Lächeln abringt. Goldzilla beweisen wache Beobachtungsgabe und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, wie etwa auch die wundervolle, neu aufgenommene Trans-Hymne «T4T» zeigt. Solche Töne erklingen zwar immer öfter in der deutschen Subkultur, doch selten so pointiert und effektiv wie hier.
Es ist schön, dass sich Goldzilla nochmals aufgerafft haben. Klar, wirklich viel Spass macht im Leben nur noch wenig, doch genau deshalb brauchen wir eine solch melancholisch-aufmüpfige Widerstandserklärung wie dieses Album mehr denn je. Der abschliessende Aufruf könnte nicht klarer sein: «Wir teilen alle unser Leid und Zeit», denn wenn wir eines gelernt haben, dann, dass es nur zusammen weitergeht. Auch wenn alle Wege in den Abgrund führen: zusammen wütend sein ist immer besser. Danke, Goldzilla, dass es euch gibt, und danke für dieses zweifellos beste eurer Alben. Wer etwas anderes sagt, ist nur nostalgisch.

