XL Recordings / VÖ: 23. August 2024 / Post-Punk
fontainesdc.com
Text: Michael Messerli
Wie man sich als Post-Punk-Band weiterentwickelt, könnte man bei Idles abschauen. Fontaines D.C machen es einfach noch besser. Sänger Grian Chatten hat in London einen neuen Heimathafen angesteuert und ist dort noch nicht ganz angekommen, in Dublin aber auch nicht mehr so richtig zuhause. Es gibt diese Redewendung: «A ship in harbor is safe, but that is not what ships are built for». Ein sicherer Hafen ist wichtig, um dort den Mut für neue Abenteuer zu finden. Das gelingt der Band auch deshalb, weil sie das Lob endlich geniessen kann und das Selbstvertrauen hat, nicht vom Erfolg abhängig zu sein. Auf ihrem neuen Album «Romance» hört man das an allen Ecken und Enden. Auch wenn die diese abgeschliffen wurden. Und das beginnt beim Gesang.
Die Frage, ob das gelungene Solodebüt von Grian Chatten («Chaos For The Fly») einen Einfluss auf die Entwicklung von Fontaines D.C. hatte, lässt sich leicht beantworten: Ja, weil seine Stimme in mehr Höhen wächst und in mehr Farben streut. Aber auch stilistisch gelingt der Band ein Ausbau: «Starbuster» ist mehr Rap als Post-Punk oder zumindest die Kreuzung davon. Das Selbstvertrauen äussert sich darin, die von anderen aufgemachten Schubladen zuzuschlagen. Die grelleren Outfits, das Cover des Albums und die opulenteren Songs widerspiegeln die bunte Spielwiese.
Fontaines D.C. haben ihre Musik auf andere Ebenen gebracht, sie dazu aber nicht angehoben, sondern sich mehr in die Breite ausdehnen lassen. Die drei bisherigen Alben waren bereits hervorragend, «Romance» fällt kein bisschen ab. Die grösste Überraschung ist dabei die Tatsache, dass es ein bisschen Zeit braucht, die wahre Qualität des Albums zu erkennen. Denn die vielerorts grosse Begeisterung nährt sich wohl in erster Linie aus dem Stilbruch im Kontext der Band, der zwar unbestritten ist, dessen Auswüchse aber ausserhalb dieses Kontexts gar nicht gross auffallen würden.
Oder anders gesagt: Was wäre, wenn «Romance» das Debüt einer neuen Band wäre? Man würde nicht von Veränderung oder Weiterentwicklung sprechen, man würde staunen, wie eingängig und doch dringlich Songs wie «Desire» oder «In The Modern World» sind. Wie selbstbewusst ein «Starbuster» und hitverdächtig ein «Favourite». Nur im letzten Drittel schwächelt «Romance» kurz, aber vielleicht sieht man das in ein paar Monaten wieder anders. Es ist toll, den Iren dabei zuzuhören, wie sie aus dem Vollen schöpfen. Viel besser konnte ihnen das zu diesem Zeitpunkt nicht gelingen.