Band: EOB
Album: Earth
Genre: Indie
Label: Capitol Records
VÖ: 17. April 2020
Webseite: eobmusic.com
Was hält die Menschen, die Gesellschaft und die Welt in ihrem Innersten zusammen? Die Antwort darauf ist nicht nur in der Kunst häufig dieselbe: das Leben und die Liebe. Wer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens noch nicht fündig geworden ist, dem sei dieser Gedanke ein Vorschlag. Aus astrophysikalischer Sicht kann man das freilich anders sehen. Wir messen diesem winzigen blauen Punkt im Weltall viel mehr Bedeutung zu, als uns zusteht – und damit auch der Menschheit. Diese Tatsache hat schon viel kaputt gemacht. Wie diese beiden Sichtweisen zusammenpassen? Wir können anderen Menschen etwas bedeuten und sie uns. Das ist wichtig, denn das Leben findet schliesslich statt. Nur heisst das nicht, dass wir darüber hinaus etwas hinterlassen werden. Wem das jetzt eine zu nüchterne Betrachtung des Emotionalen ist, dem kann man auch das Album von EOB in die Hand drücken und sagen: “Nimm dich nicht so wichtig, Mensch. Zeig mehr Solidarität.“ Der Blick durch das Kaleidoskop namens “Earth“ zeigt einem eine bunte Welt, zielt aber mitten ins Herz.
Der erste Song des ersten Soloalbums von Ed O’Brien (kurz EOB) heisst “Shangri-La“ und nein, das hier ist kein Hippiekram. Der Gitarrist von Radiohead tut das, was drei Fünftel der Band schon vorher gemacht haben: in den Pausen eigene Wege gehen. Fehlt nur noch Colin Greenwood. Es ist sicher nicht einfach, sich von seiner Hauptband zu emanzipieren und etwas zu veröffentlichen, das nicht penetrant mit dieser verglichen wird – vor allem wenn die Hauptband Radiohead heisst. Das grosse Kompliment an dieser Stelle: Es ist Ed O’Brien gelungen. Er lebte mit seiner Familie ein halbes Jahr in Brasilien und dort nahm “Earth“ seinen Anfang. Und deshalb heisst der zweite Song auch “Brasil“, der mit seinen zwei Teilen das Wesen von “Earth“ einfängt. Spätestens ab hier wird man reingezogen in einen zuweilen psychedelischen, manchmal reduzierten, stellenweise elektronischen aber auch rhythmischen Trip, bei dem man hinter jedem Part Jeff Beck erwartet, aber ganz andere Gäste findet.
Am meisten sticht Laura Marling in “Cloak of the Night“ heraus. Einem Duett zum Schluss, das auch ein ruhiger Song von Pink Floyd sein könnte. Das Albumcover passt zum Inhalt. Der fröhlich pluckernde Start soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auf “Earth“ auch schwere Themen gibt: Tod, Depressionen und die Geldgier des Menschen. An “Olympik“ kommt aber niemand vorbei. Ein fast neunminütiges Groove- und Soundmonster, das ein gutes Solodebüt veredelt und damit über etwas weniger erbauliche Songs wie “Deep Days“ oder “Banksters“ hinwegsehen lässt. Bei einer solchen musikalischen Vielfalt kann es schnell passieren, dass am Ende ein Flickenteppich vor einem liegt. Das ist “Earth“ nicht und damit sind wir beim zweiten grossen Kompliment. Bleibt also die Frage: Was hält dieses Album in seinem Innersten zusammen? Die Antwort: das Leben und die Liebe. Und ein überragender Musiker.
Tracklist:
1. Shangri-La
2. Brasil
3. Deep Days
4. Long Time Coming
5. Mass
6. Banksters
7. Sail On
8. Olympik
9. Cloak Of The Night
Bandmitglieder:
Ed O’Brien – Gesang, Gitarre, Bass, Perkussionen und Keyboards
Flood – Synthesizer und Gitarre
Gründung:
2013
Text: Michael Messerli