Hummus Records / VÖ: 4. Februar 2022 / Singer-Songwriter, Indie
emiliezoe.com
Text: Michael Messerli
Man kennt diese Frage: Was würdest du deinem früheren Ich raten, wenn du die Gelegenheit dazu hättest? Das kann man beantworten, weil man weiss, wie man gerade ist und wie man mal war. Aber was würde man seinem künftigen Ich mit auf den Weg geben, wenn man zwar weiss, wie man sein möchte, aber nicht, wie man sein wird? Dieses Gedankenspiel fordert schon mehr, bietet aber die verlockende Perspektive auf neue Optionen: Nicht zu sehr nach hinten schauen, sondern lieber mehr nach vorne. Dort, wo vieles möglich scheint und es noch Hoffnung gibt – wenn das denn so einfach wäre. Im Jetzt den Idealzustand zu definieren, mit Bucket-Listen und Vorsätzen sowie dem vermeintlichen Wissen, was man alles verpasst hat, ist grundsätzlich ein Luxus des Wohlstands. Schwieriger wird es, wenn man klären möchte, ob Optimismus und Hoffnung überhaupt angebracht sind. Zeit, für eine Bestandsaufnahme.
«Hello Future Me» ist die Standortbestimmung von Emilie Zoé. Es ist die Gegenwart mit Blick nach vorne. Auf dem Rücksitz das bereits Festgehaltene, in Form von Liedern, Alben und besonders Kollaborationen, die letztlich bestehende Freundschaften sind. An dieser bereits respektablen Sammlung haften Vorschusslorbeeren und Bestätigungen, Emilie Zoé hat als Solokünstlerin und als Teil von Gemeinschaftsarbeiten wie beispielweise /A\ bewiesen, dass man mit ihr rechnen kann. Dennoch lautet ihre letzte Textzeile auf dem neuen Album «I’m staying with myself for a while». Und zwar mit dem Selbst, von dem die acht gerade gehörten Songs berichten. Auf eine Art, wie man sie von der Songwriterin aus der Romandie kennt. Wenn auch neu mit einer etwas breiteren Instrumentierung. Vor allem kommen noch mehr Tasteninstrumente zum Einsatz.
«It’s a shame that you/ Can’t go back in time/ In the year I live in/ Everything’s on fire/ All we do is waiting”, sagt sie zu sich im wunderschönen Titel- und Kernstück. Natürlich kann man das auch mit der aktuellen Pandemie in Verbindung bringen. Aber das Zeitgeschehen bietet leider noch mehr, das gerade anbrennt und mit reinem Warten sowie Altern nicht gelöst wird. «Hello Future Me» lässt etwas mehr Licht hinein, als das düstere, neblige «The Very Start». Aber auch das beschwingt startende «Apollo» steigert sich in letzter Minute noch mal grandios in seine Ernsthaftigkeit hinein. Im finalen «Volcan» hat man dann tatsächlich eine ältere Version von Emilie Zoé vor Augen, wie sie zusammen mit ihrem wichtigen musikalischen Partner Nicolas Pittet in ihrem Elternhaus sitzt und sich alt fühlt. Ihre Gedankenwelt ist genauso spannend wie ihre neuen Arrangements, welche die Gitarre oft gar nicht vermissen lassen. «You imagined us the way you wanted». Die aktuelle Version der Songwriterin Emilie Zoé muss man sich nicht vorstellen. Sie offenbart sich auf ihrem neuen Album und das so überzeugend, das man sich auf die künftige freuen darf.