PIAS / VÖ: 2. Oktober 2015 / Wave, Rock
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Text: Michael Bohli
Da sind sie wieder, die Herren Editors aus England. Tom Smith will uns erneut mit seiner Bariton-Stimme bezirzen und die Gruppe versucht die durch „The Weight Of Our Love“ entstandenen Schäden auszubessern. Das letzte Album hat mich mit seinen kitschigen Liebesliedern und der Inhaltsleere stark vor den Kopf gestossen und den Bandnamen von vielen magischen Eigenschaften beraubt. „In Dream“ geht alles komplett anders an und verzaubert bereits mit dem grossartigen Coverbild. In seinem Stil an Filme von Fritz Lang erinnernd, erschafft die Fotografie eine perfekte Ausgangslage für die neue Musik – düster und neblig.
Gewissermassen ist die neue Scheibe ein zweifacher Schritt nach hinten. Verwandelten sich Editors nach zwei musikalischen Veröffentlichungen im düsteren Alternative Rock in einen Schmetterling voller elektronischer Pophits, war die Zusammenführung dieser Welten etwas unrund. Man besinnt sich daher wieder auf den Höhepunkt „In This Light And On This Evening“ und lässt die Keyboards über die gesamte Laufzeit hin knarzen und wummern. „In Dream“ umgeht Fallen wie schnulzige Radiolieder oder Standardware, vergisst bei diesem Spiessrutenlauf aber, die Spannung hoch zu halten. Bereits der Opener „No Harm“ schleppt sich durch fünf Minuten voller Drumcomputer und Smiths tiefen Organs, um wenigstens im Refrain eine Variation zu bieten. Das Lied gefällt, löst aber keine Begeisterung aus. Genauso verhält es sich auch mit dem Rest des Albums.
Die Band weiss genau, wie man tollen Stadionrock schreibt und diesen mit Anleihen des Dark Wave mischt, doch eine Zutat haben sie leider vergessen: Die Hits. Alle Vorgänger konnten mindestens einen Track vorweisen, der zum Tanzen und Verrücktwerden animierte und dabei tagelang im Ohr blieb. „In Dream“ bietet keinen solchen Kandidaten, muss sich oft sogar vorwerfen lassen, Inhaltsleere mit Klangwänden zu kaschieren. Das ist nicht immer schlecht, aber während 50 Minuten wartet man bei diesem Album auf den Höhepunkt, auf die Momente, die das Herz ergreifen und einen das Album lieben lernen – doch die bleiben aus. Lieder wie „Salvation“ oder „Marching Orders“ werden perfekt dargeboten und sind wunderbar produziert, keiner verletzt sich wenn er hier genau hinhört. Doch macht man dies wirklich? Besonders, wenn man alles nach wenigen Minuten bereits wieder vergessen hat?
Die Editors sind seit einigen Jahren etwas in der Krise und können sich auch hier nicht von ihren Problemen lösen. „In Dream“ ist kein Ausfall oder ein Kandidat für den Flohmarkt, aber auch kein grossartiges Werk voller Pathos und grosser Gesten. Tom Smith gefällt sehr und wird wunderbar von Rachel Goswell unterstützt. Somit wird diese Veröffentlichung allen Liebhabern der Band gefallen, aber bei kaum jemandem den Platz des Lieblingsalbums einnehmen.