* *
Band: Die Perlen
Album: Zehn
Label/Vertrieb: FireZone / Black Rain
Veröffentlichung: 27. November 2009
Website: www.dieperlen.de
Geschrieben von: Luke J.B. Rafka
Minimalistische Perlen liefern minimalistisch ihre Best Of
Die Perlen, ein Duo aus Nürnberg seit nunmehr 10 Jahren am Ball der minimalistischen Musikschule und nun die zehnte Veröffentlichung als demokratische Fanmitbestimmung!
Dass dieses 2-Mann/Frau-Projekt jemals so einen Sprung in die Öffentlichkeit schaffen würde, war mit dieser Art von Musik vor einigen Jahren kaum vorstellbar. Aber dieses Duo lieferte in der Vergangenheit den Beweis, dass es auch anders geht. Sie bewiesen im Laufe der Zeit mit minimalistisch im alten NDW/New Wave-Style ihre Ideen von Musikergüssen der Extraklasse angehörten.
Nach 10 Jahren Existenzminimum stürmen sie nun die Hitparaden und Konzerträume mit einer Wucht, wie sie niemand zuvor erahnt hätte.
Nun lieferten die beiden Nürnberger kürzlich und passend zum Jahresende eine Art Best Of-Scheibe, wie sie wirklich sein muss, was viele Superstars und die Maschinerie, die dahinter steckt, einfach vergessen haben! Die besten und beliebtesten Songs eines Musikacts, demokratisch von den eigenen Fans gewählt, so muss ein Best-Of Silberling sein! Ein echtes Stück Musikgeschichte von den bisher einzigen Vertretern des seltenen Musikstils Telektroponk!
Beginnt das Album noch recht verhalten mit “Allein Sein“ und einem schönen, eingängigen Basslauf, der extrem an alte NDW-Zeiten erinnert, so steigert die lockere Snaredrum diesen Track und es klingt wie aus einem 80er-Filmtitel. Die dann ruhig, aber doch fordernd einsteigende Stimme von Katja Hah zusammen mit der E-Gitarre ein Stück Erinnerung an alte Songs von Bauhaus, Lene Lovich oder sonstigen Stars aus dem New Wave-Zeitalter liefert!
Auch minimalistisch gehalten beginnt der zweite Track des Silberlings “Augen der Grossstadt“. Irgendwie vermisst man heutzutage vielleicht gut und gerne den sogenannten Pepp in diesen Songs, aber wenn man bedenkt, dass die ausgewählten Tracks einen Werdegang dieser Ausnahmekünstler widerspiegeln soll und es sich bei diesem Tonträger teilweise auch um alte Demosongs handelt, kann der Zuhörer hier natürlich darüber hinweg schauen.
Es dauert, bis das Album zu seinem Höhepunkt kommt und ein wenig flotter die Stimmung einläutet, die es für ein Jubiläum dieses Formates existieren sollte. Der dritte Track des Tonträgers liefert ebenfalls noch eine Art Langeweile. “Stadt stirbt“ zeigt den Wandel der heutigen Zeit. Die Leute haben kein Geld mehr, sind arbeitslos, die Städte gammeln nur noch so vor sich hin und naja, „…Häuser stehen leer… unsere Stadt stirbt… Herzen sind nicht mehr… unsere Liebe tot…“ eine gelungene Interpretation der heutigen Wirtschafts- und Finanzproblematik und das gekonnt minimalistisch.
Der absolute Widerspruch folgt zugleich mit dem nächsten Song “Die Stadt lebt“. Das Intro stimmt eine etwas andere, aber dennoch nicht fröhliche Stimmung an. Absolut gut dargestellt finde ich den Text und die Wortwahl dazu. Sie zeigt mir direkt dieses Stress-verwöhnte Leben einer Grossstadt, von der Die Perlen gerne singen.
Doch leider warte ich auf das gewisse Etwas, dass in meinen Augen Die Perlen einfach ausmacht und mit dem bereits 5. Track “Schaltet Ab“ endlich bekomme. Die schnellen, Songs, die einem trotz trauriger Texte, immer wieder Frohsinn liefern und mich absolut an gute alte Zeiten erinnern. Nichts mit “Tango 2000“ zum Beispiel fällt mir direkt ein. Diese Art von Musik bringt das gewisse Etwas bei diesem Duo und das mit heutigen Protest Texten, wie sie so klar kaum ein Künstler ausspricht.
Mit “Revolution“ erhoffte ich mir zuerst einen absoluten Hit und dieser liefert auf einmal französische Worte, die mich absolut überraschen. Die Schnelligkeit und dieser Megaphongesang von Ferdinand Ess lassen mich – aufgrund meiner nicht vorhandenen Sprachkenntnisse – den Text nur erahnen.
“Beweg Dich nicht“ ist dann ein Track, den ich zuvor schon kannte, aber wirkt er irgendwie langweiliger als ich ihn in Erinnerung hatte. Mit der Zeit wird es wirklich schwierig für mich diesen Longplayer mit samt seinen 19 Stücken durchzuhören, aber ich beisse kräftig auf die Zähne und lausche den Klängen, die den bisherigen Werdegang dieser Band aufzeigen.
“Geiz“ ist dann wohl als Hommage an die achso dollen Werbespots, die den Konsum anregen sollen, zu verstehen. Wenn ich den Sinn dieses Textes richtig erkannt habe, stehe ich dem sogar genauso gegenüber wie die Nürnberger Grossstadtmusiker. Diese Konsumüberfüllung in allen Varianten fördert der Menschheit zu noch mehr Dummheit, als sie schon existiert.
Wir sind nun schon beim 9. Track angelangt. “Mach es laut!“, dieser Song gefiel mir einst, als Die Perlen noch nicht so angesagt waren, aber auf diesem Album fällt es mir schwer, dieses Stück weiterhin toll zu finden. Irgendwie klingt dieser Longplayer von mal zu mal einfach gleich und treibt mich in Trübsal, dass eine solche Band keinen wahrhaftigen Fortschritt gemacht hat. Einen Wandel in der Bandhistorie kann ich keineswegs erkennen.
Mit “Recherche“ kommt ein weiterer in Französisch gesungener Song daher, der wenigstens mit der Sprache ein wenig Abwechslung liefert, aber weiterhin in dieser guten alten Zeit herumdümpelt.
Weiter geht es mit “Farben“ und gar dem zu meinen alten Radiomoderatorenzeiten zum Überhit avancierten “Grossstadtangst“. Obwohl der letztere Song bisher wirklich das Highlight des Silberlings darstellt, kommt nicht mehr dieses Gefühl auf, welches ich seinerzeit zur Veröffentlichung dieses Tracks bekommen hatte. Aber eine Erleichterung kommt trotzdem noch auf. Schön arrangiert, trotz minimalistisch sicheren Einlagen!
Und nun kommt der absolute Schock für alle 80s-Liebhaber. Jetzt liefern Die Perlen ihre absolute “We hate the 80s“-Hymne und präsentieren damit, diese elendigen Vergleiche zu diesen alten Zeiten nicht mehr hören zu wollen. Dieses irritiert mich doch sehr, sind die musikalischen Ergüsse der beiden Musiker doch genau in diesem Style gehalten. Naja, muss halt jeder selbst wissen.
Mit “Bahnsteig 19“ und “Puls der Zeit“ geht es weiterhin einigermassen flott und abwechslungsreich weiter. Bei “Puls der Zeit“ wird die Gegenwart und zukünftige Aussicht unserer herrlichen Welt gekonnt durchleuchtet. Textsicher geben sich die Zwei ja, aber ein wenig mehr an den Sounds tüfteln könnten sie doch auch oder?
Anscheinend haben sie “Kein Interesse“ daran, meinen Worten Taten folgen zu lassen, obwohl das nächste Stück genau diesen Titel trägt, handelt es von anderen lebenswichtigen Dingen. Mit schöner Minimalelektronik werden in diesem Song einige schöne Klangeffekte eingebaut.
Die letzten beiden Tracks werden dann auch noch in Englisch präsentiert und zeigen anscheinend die einzige Abwechslung dieses Silberlings. Im selben Midtempo liefert das Duo Effekte der schönen alten 80er Zeit im Gesang oder Sound à la Kraftwerk oder sonstigen 80er Heroen, aber einen wirklichen Höhepunkt als ihren Überhit “Grossstadtangst“ oder “Puls der Zeit“ gibt es nicht wirklich auf diesem Tonträger.
Fazit:
Ich hätte niemals gedacht, dass ein Album der Gruppe Die Perlen so schlecht bei mir abschneiden könnte. Hatte ich sie doch in so guter Erinnerung, als ich noch Moderator von Radiosendungen war. Produzierte ich sogar damals die Charts eines Internetradios, in der sie sich mehrere Wochen mit “Grossstadtangst“ sowie “Puls der Zeit“ in dieser Sendung und sicherlich auch in anderen Charts tummelten.
Aber sorry, dachte ich doch ein Best Of und dann noch ausgewählt von den eigenen Fans würde in mir mehr Emotionen wecken. Für mich ist dieses Album, obwohl ich minimalistische Elektronik sehr gut finde und auch das bisherige Schaffen dieser Künstler als gelungen empfand, aufgrund der sich dahin plätschernden Langeweile und lustlos aneinander gereihten Titel absolut durchgefallen.
Tracklist:
01. Allein sein
02. Augen der Grossstadt
03. Stadt stirbt
04. Stadt lebt
05. Schalt ab
06. Revolution
07. Beweg Dich nicht
08. Geiz
09. Mach es laut!
10. Recherche
11. Farben
12. Großstadtangst
13. we ‚hate‘ the 80’s
14. Bahnsteig 19
15. Puls der Zeit
16. Kein Interesse
17. Ugly mirror
18. Who is to blame?
19. Ehrlich gesagt
Band-Member:
Ferdinand Ess
Katja Hah
Gründung
2000