Reclam Verlag / ISBN: 978-3-15-014570-8
Autoren: Farin Urlaub, Bela B, Rodrigo González (Texte) / Michael Loesl (Kommentare, Nachwort) / bademeister.com
Text: David Spring
Das lyrische Panoptikum der Die Ärzte, ihres Zeichens Beste Band der Welt, ist nicht von schlechten Eltern. Ungefähr 368 Songs auf 14 Alben und etlichen Singles, EPs und Kompilationen, dazu der unablässige Fundus an Live-Improvisationen, genialen Wortschöpfungen, kuriosen Reim-Verbrechen, grenzdebilen Kalauern und zeitlosen Bonmots – nicht viele Bands haben wohl einen ähnlichen Einfluss auf die deutsche Sprache, wie diese Band.
Diese Tatsache erkannte nun auch der renommierte Reclam-Verlag, dessen seit jeher gleichaussehenden, gelben Büchlein der Universal-Bibliothek schon lange nicht mehr nur uralte Klassiker beheimaten, sondern auch moderne, geschriebene Kunst. Und alle, die von BelaFarinRod mehr als nur «Himmelblau», «Junge» und «Lasse Redn» kennen, wissen auch, dass sich im Laufe der Zeit durchaus einige Texte angesammelt haben, die es für die Nachwelt festzuhalten gilt. (Und auch viele, die man mittlerweile bedenkenlos vergessen kann.) So finden sich auf den 120 Seiten dieses schicken, von Bela B höchstpersönlich verzierten Büchleins, nun 41 Songtexte (egal, was im Titel steht) aus der gesamten Schaffenszeit der Band, mal riesige Überhits, mal obskure Kleinode. Angefangen in der Uralt-Klamottenkiste mit «Scheisstyp» und «Ich weiss nicht (ob es Liebe ist)» über Tracks aus den 90ern wie «Vermissen, Baby», «Vokuhila Superstar» oder «Der Misanthrop» bis hin zu den aktuellsten Hits wie «Ich, am Strand», «Kraft» oder «Woodburger».
Der Fokus liegt auf den Songs seit der Reunion 1993, läutete das immens wichtige «Schrei nach Liebe» damals doch eine merklich ernsthaftere textliche Ära der Die Ärzte ein. Seit dann steht nicht mehr nur (infantiler) Humor im Zentrum, sondern clever formulierte Denkanstösse, spannende Charakterskizzen und detaillierte Alltags-Beobachtungen. Das vorliegende Sammelsurium deckt all diese Facetten ab, ernste Stücke wie «Achtung, Bielefeld», «NichtWissen» oder «Vorbei ist vorbei» sind genauso wie bizarr-kuriose Unikate wie «Rock’n’Roll Übermensch», «Grotesksong» oder «Tu das nicht» enthalten. Und natürlich haben Die Ärzte Stücke wie «1/2 Lovesong», «Manchmal haben Frauen…», «Deine Schuld» oder «Demokratie (Our Bassplayer Hates This Song)», deren Texte verdient für die Ewigkeit festgehalten werden, da sie zu den Besten und Wichtigsten gehören, die die deutschsprachige Musik je hervorgebracht hat.
Was das kleine, gelbe Büchlein besonders spannend und lesenswert macht, vor allem für Fans, die ohnehin jedes Wort der Die Ärzte auswendig mitsingen können, sind die Anmerkungen zu jedem der 41 Texte sowie das so ausufernde wie grossartige Nachwort. All dies stammt aus der Feder von Kulturjournalist Michael Loesl, der vom Rolling Stone bis hin zum Playboy schon so gut wie für jedes Kulturblatt geschrieben hat. Seine Kommentare und Interpretationen sind amüsant und überlegt und befinden sich meist zwischen humorvoller Lobhudelei, verbosen Deutungsversuchen und respektvoller Wertschätzung.
Wer also Fan der Besten Band der Welt ist, wer gerne deutsche Wortkunst im Regal stehen hat, wer immer schon einmal das Wort «fisten» in einem Reclam-Büchlein sehen wollte und schlussendlich einfach, wer die lyrischen Ergüsse der Die Ärzte schätzt, feiert, hinterfragt, mitsingt, liebt, hasst, vergessen hat oder schlicht für gut befindet – all denen ist «40 Songtexte aus Berlin» wärmstens ans Herzen gelegt. Es lohnt sich und kostet auch nicht viel – wenn das also mal kein Punkrock ist!