Band: Depeche Mode
Album: Spirit
Genre: Electro / Synthie Pop
Label/Vertrieb: Sony Music
VÖ: 17. März 2017
Webseite: depechemode.com
Depeche Mode Fans kann man es nie recht machen. „Devotees“ gehören zur loyalsten Fangemeinde der Welt, stehen ihrer Band aber gleichzeitig hochkritisch gegenüber. So auch im Fall ihres vierzehnten Albums „Spirit“: die Meinungen reichen von „langweilig“ bis „grossartig“.
Ambivalenz? Die gibt es auch. Und zwar hier bei ARTNOIR.
Beim ersten Durchhören stellt sich die Frage: wo sind die Melodien, wo die Ohrwürmer? Es bleibt viel zu wenig hängen. Beim zweiten, dritten, zehnten Durchhören: ah, jetzt kristallisiert sich etwas heraus. Die schleppende Düsternis bei „No More (This Is The Last Time)“ zum Beispiel; oder der Blues von „Poison Heart“.
Und die Texte: auffällig politisch, auffällig wütend. Solch klare Aussagen über den Zustand der Welt haben Depeche Mode schon lange nicht mehr gemacht. Das reicht vom etwas banalen „Where’s the revolution / Come on, people / You’re letting me down“ („Where’s The Revolution“) und „Corporations get the breaks / Keeping almost everything they make“ („Poorman“) bis zum finsteren „There’s a lynching in the square“ in „The Worst Crime“ und „And when the black cloud rises / And the radiation pours“ in „Eternal“.
Dunkel, dunkler, am dunkelsten: im Wettrennen um den Ende-der-Welt-Soundtrack gewinnen Depeche Mode immer. Und dies, obwohl die Band in ihrer 37-jährigen Geschichte auch vordergründig fröhliche Synthie Pop-Perlen wie „Enjoy The Silence“ geschrieben hat.
Genau diesen zugänglichen Pop sucht man auf „Spirit“ allerdings fast vergebens. Muss auch nicht sein, kann man argumentieren – schliesslich sind die Herren Gore, Gahan und Fletcher Mitte 50 und nicht die frischgebackenen Teenager, die zusammen mit Vince Clarke „You Just Can’t Get Enough“ geträllert haben.
Jein. Zugänglicher Pop heisst nicht automatisch oberflächlicher Pop, und auch Fans in der Midlife-Crisis mögen Mitsing-Hymnen.
So bleiben einige Melodien auf dem Album trotz mehrerer Hördurchgänge sperrig, beliebig und ja, langweilig („The Worst Crime“, „You Move“, „Fail“). Bei diesen Songs hilft auch die stimmige, druckvolle Produktion von James Ford nicht. Bei anderen Songs hingegen sehr: der hohe BPM treibt „So Much Love“ gnadenlos voran, und „Poorman“ lebt von der Mischung aus sauberen Synthie-Pieptönen und dreckigem Gitarrensound.
Gesanglich sind Haupt-Songschreiber Martin Gore und Frontmann Dave Gahan auf der Höhe ihres Könnens. Sie klingen gereift, geerdet, eindringlich. Und sie untermalen damit die Highlights des Albums: Die eingängige Melodie und nihilistische „we feel nothing inside“-Aussage von „Going Backwards“; und den starken Beat und verzerrten Sound von „Scum“.
„Spirit“ bleibt ein ambivalentes Album. Diese Rezensentin würde es gerne rückhaltlos ins Herz schliessen, aber es stehen zu viele musikalische Stolpersteine im Weg.
Eben. Recht machen kann man es uns nie.
Tracklist:
1. Going Backwards
2. Where’s The Revolution
3. The Worst Crime
4. Scum
5. You Move
6. Cover Me
7. Eternal
8. Poison Heart
9. So Much Love
10. Poorman
11. No More (This Is the Last Time)
12. Fail
Bandmitglieder:
Dave Gahan – Gesang
Martin L. Gore – Gitarre, Keyboard, Gesang
Andrew Fletcher – Keyboard
Gründung:
1980
Text: Anna Wirz