Eigenveröffentlichung / VÖ: 11. November 2022 / Folk, Country
dearmisses.com
Text: David Spring
Etwas vom Schönsten an der Musik ist, wenn man neidlos eingestehen darf, dass man bisher völlig falsch lag. Eigentlich mag ich Country nicht. Doch siehe da, auf einmal finde ich eine Band aus dem Muotathal – woher auch sonst – und alles ist anders. Zugegebenermassen sind Dear Misses keine reine Country-Formation, sondern im Psychedelic Rock zu Hause. Ihr neustes Werk «Life And Death Of Frankie Trombone» jedoch sprüht nur so von Midwest-Feeling.
Dear Misses wollten dieses Mal alles etwas anders machen. Die neue Platte ist ein Konzeptalbum, welches das Leben des fiktiven Cowboys Frankie Trombone erzählt. Los geht es mit «A Life He Never Had», einer astreinen Country-Nummer inkl. Steel-Guitar und einer Wagenladung Schmalz. Für meinen persönlichen Geschmack fast etwas zu viel des Guten, doch schon das folgende «Leaving Town» verstrahlt mit knackigen Gitarren und einer Beatles-esken Mundharmonika so viel Charme, dass selbst ich mich auf diese Reise durch die Wüste freue.
Von da an wird es stetig abwechslungsreicher und Dear Misses bedienen sich sämtlicher Folk-, Americana- und Country-Subgenres. «El Coyote» ist düster und poppig und könnte gut aus dem nächsten Tarantino/Rodriguez-Western-Werk stammen, «Beat This Train» ist ein wilder Rock’n’Roll-Ritt mit Psychobilly-Einflüssen und «Silver Lake» könnte gut der dritten Led Zeppelin-Platte entsprungen sein. Abwechslungsreich sind auch die zahlreichen Stimmen und die unendlich vielen Instrumente und Geräuschmacher, die zum Einsatz kommen.
Zum Schluss dann spielen Dear Misses alles Dagewesene in den Schatten. Das zweiteilige «The Gates Of Death» ist todtraurig und unglaublich eindrucksvoll. Mit schwerer Stimme, wundervoll platzierten Dissonanzen und faszinierender Musikalität geht dieser Song direkt unter die Haut. Der bis dahin eher schwer zu greifende Frankie Trombone steht auf einmal direkt vor uns und wir werden Zeuge seiner letzten Tage. Das abschliessende «Requiem» fasst mit einer gänsehauterzeugenden Piano-Melodie und epischem Spannungsbogen alles zusammen.
Wahrlich eine faszinierende Platte, die hier in der Idylle des Muotathals erschaffen wurde. Dear Misses sind wahnsinnig kreativ und talentiert, die Songs machen Freude und strotzen nur so von Atmosphäre und Gefühl. «Life And Death Of Frankie Trombone» ist überzeugend, mitreissend und authentisch. Wer, wie ich, schon immer die Vermutung hatte, dass Country eigentlich gar nicht so schlimm sein kann, wird hier endlich den wohlklingenden Beweis dafür finden.