My Ruin / VÖ: 2. Februar 2024 / Post-Punk
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Text: David Spring
Die Nacht hatte immer schon eine besondere Faszination auf uns. Für einige ist es die Gelegenheit für klandestine Machenschaften, für andere hingegen birgt die Nacht auch Gefahren und Sorgen, seien das die eigenen schrecklichen Gedanken oder die Unsicherheit, die von anderen ausgeht. Wieder andere blühen nur des Nachts auf, weil die Dunkelheit Anonymität, Mystik und Geborgenheit bringt. Dead Years aus Bielefeld bringen nun in ihrem neusten Werk «Night Thoughts» all dies unter einen überzeugenden Hut.
Die Musik von Dead Years ist treibend und rastlos. Das Trio um Gitarrist Jonas, Bassistin Julia und Drummer Hannes lässt ihren Post-Punk stark vom Sound der 80er-Jahre beeinflussen, was vor allem wundervoll flehenden, mehrstimmigen Gesang und Chorus- und Delay-bepackte, schwebende Gitarren bedeutet. Der Opener «Infinity» fällt bedrohlich und ungestüm zur Tür hinein. Man fühlt sich sofort abgeholt und wie von einer warmen Decke umwickelt, in die Nostalgie entführt. Dabei geht die Band ruppig und ungehobelt zur Sache und lässt auch im folgenden «Pictures Of My Death» nichts anbrennen. Der Sound ist wundervoll nostalgisch und erinnert an düstere Bands wie Masshysteri, X, oder The Cure, wobei die Produktion immer schön fett aufs Auge drückt.
«Night Thoughts» ist ein Konzeptalbum rund um die Nacht und Dunkelheit. Damit einhergehend stehen Themen wie Selbstzweifel, Aussenseitertum, soziale Ängste und der tägliche Kampf, sich in einer entfremdeten Welt zurechtzufinden und zu identifizieren, im Vordergrund. Dank der ehrlichen, nicht immer einfachen Texte herrscht in jedem der zehn Songs eine melancholische Schwere, die zwar erdrückend wirken kann, schlussendlich aber perfekt zum Sound von Dead Years passt. Stücke wie «The Seperator», das textlich gelegentlich augenzwinkernd Pink Floyd zitiert, oder das gewaltige «Just Then» nehmen den Fuss etwas vom Gaspedal und sorgen für ordentlich Abwechslung und Atmosphäre. All das führt dazu, dass man beim Hören kaum umhinkommt, frohgemut nostalgisch vor sich hin zu grinsen.
Der Titeltrack macht den Abschluss und fasst die wohlig düstere Musik hervorragend zusammen. Mit einem glorreichen Mundharmonika-Solo, fantastischen Melodien und einem wunderschönen Text markiert das Lied den Höhepunkt der Platte. Dead Years zelebrieren auf «Night Thoughts» den Sound vergangener Tage auf unglaublich authentische und überzeugende Art und Weise. Sie vermischen gekonnt Genregrenzen, kosten das Konzeptthema voll aus und liefern am Ende ein wundervolles, zeitloses und vor allem erfrischendes Post-Punk-Album ab. Wer daran keine Freude findet, wird auf immer im unerbittlich grellen Tageslicht bleiben müssen, denn die Schönheit der Nacht bleibt zu recht verwehrt.