Cinemagraph / VÖ: 2. September 2022 / Alternative
cinemagraph.band
Text: Patricia Leuchtenberger
Cinemagraph hat alles, was eine Newcomerband auf dem deutschen Musikmarkt braucht: eine herausstechend markante Stimme des Leadsängers, zwei elektrische Gitarren, welche zeitlich versetzt voneinander Melodien in Dur zupfen und ein moderates Anzweifeln jeglicher vergangener Lebensentscheidungen. Mit ihrer dritten EP stellt die Mannheimer Gruppe ihren persönlichen Reifeprozess auf dem musikalischen Präsentierteller aus und soll ihren Willen zur Autonomie darbieten, der fällt allerdings im Ganzen eher unglaubwürdig aus.
Der Mann auf dem Cover von „Do You Know What We’re Supposed To Do?“ schielt nicht etwa beschämt oder tarnend zwischen seinen Fingern in die Kamera, sondern umschließt mit seinen Händen fast gänzlich sein Gesicht, wobei man ihm die Frage, die als Titel fungiert, wie auf die Stirn geschrieben ansieht. Diesem Phänomen der Offensichtlichkeit fällt nicht nur die körnige schwarz-weiß Fotografie zum Opfer, sondern jedem einzelnen der sechs Songs auf der Platte. Konstant hört man sich selbst beim Verzehr der glatten Indie-Plattitüden hinterfragen, wo man denn gewisse Elemente der Komposition schon gehört hat: der kristalline Sythesizersound von The 1975, dieselben Akkorde, die Oasis vor 30 Jahren zum Weltruhm verholfen haben und immer die gleichen, nichtssagenden fragenden Texte, die auch von etablierten Künstlern wie Razz oder Leoniden stammen könnten (was vielleicht auch daran liegt, dass der Produzent Dennis Borger seine Finger im Spiel hatte). Hat ein Künstler nicht eine gewisse Verantwortung, seinen Lyrics ein solches Leben einzuhauchen, dass seine Songs von niemanden besser portraitiert werden könnten als er selbst?
Cinemagraphs neues Werk hat zweierlei, was sich vom Konzept der restlichen Songs losmachen. Das Einsetzen von Vocoder im einführenden „Seeing Someone Else“ sowie auch die abgewetzten Drums im letzteren „Sometimes“ klingen erfrischend, hoffnungsvoll und passgenau im Kontext der innerlicher Konflikte, die die Band mit „Do You Know What We’re Supposed To Do?“ ergründen will. Der Versuch, sie instrumental verklanglichen zu wollen, ist spürbar. Leider sind die Wasser dafür noch nicht tief genug.