Rise Records / VÖ: 25. Oktober 2024 / Americana, Rock, Folk
chuckraganmusic.com
Text: Torsten Sarfert
Keiner schreit so schön wie Chuck Ragan. Die Reibeisen-Röhre aus Gainesville, Florida präsentiert mit dem neuen Album „Love and Lore“ zehn ergreifende Songs über Liebe und Legenden.
Diese entstanden über einen Zeitraum von bald zehn Jahren und deren Fertigstellung zog sich aufgrund von persönlichen Schicksalen und COVID entsprechend lange hin. Dafür sind die emotionalen und muskulösen Songs aber bereits jetzt schon so gut abgehangen wie feinstes Dry-Aged-Beef. Jeder Song ein empfindlicher Treffer direkt ins Americana-Bulls-Eye. Von folkigen Balladen („Reel My Heart“), über Punk-Rocker („Wild In Our Ways“), bis zu Chucks ganz eigener Country-Definition („Winter“, „Aching Hour“) ist alles dabei, was Folk-Rock-Fans Freude macht. Seelenverwandte wie Springsteen oder The Gaslight Anthem (mit Brian Fallon verbindet Ragan übrigens eine tiefe Freundschaft) lassen schön grüssen und man möchte sogleich in den nächstbesten Cadillac zu hüpfen, cruise-control einschalten und einmal quer durchs amerikanische Heartland brettern. Das Autoradio auf 11 und die Songs über Liebe und Legenden auf den luftgekühlten Ohren. Den Weg mal wieder das Ziel sein lassen. Folkige Akustik- und Pedal-Steel Gitarren, Country-Fiddle, treibender Rhythmus und gesangliche Unterstützung von Hot Water Music-Sangesbruder Chris Creswell, Muscle Shoals-Songwriter John Paul White und der wunderbaren Paige Overton, schaffen einen perfekten Soundtrack für solch einen Road-Trip.
Das ist alles zwar ganz und gar nicht modern, sondern vielmehr der verzweifelte Versuch eines befreienden Ausbruchs aus den alltäglichen, erdrückenden (und vielleicht eben den modernen) Zu- und Umständen. Alles hinter sich lassen und mit Zuversicht weitermachen ist die Devise: „Hear me begging for mercy, I trade all the diesel in the world for you – and one more shot!“ („One More Shot“).
Der passionierte Fliegenfischer und Naturliebhaber Ragan versucht bodenständig im Hier und Jetzt zu bleiben, durchaus mit dem Bewusstsein für die Versäumnisse der Vergangenheit, jedoch mit unsicherem Blick in die Zukunft. Am Ende aber bleibt sowieso nichts essenzielleres als die Liebe, die damit verbundene Freude und Melancholie und die alles heilende Kraft der Natur. Liebe und Legenden. Und manchmal der Drang zu schreien.