Libertino Records / VÖ: 19. November 2021 / Post-Hardcore
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Text: Michael Messerli
In der breiten Wahrnehmung ist Wales aktuell noch rockmusikalisches Neuland. Natürlich mit den üblichen Ausnahmen: Bands wie die Manic Street Preachers, The Joy Formidable, Feeder, Stereophonics, Funeral For A Friend, Bullet For My Valentine oder Super Furry Animals muss man je nach Genrenähe schon mal gehört haben. Die weniger bekannten Estrons haben sich leider nach einem grandiosen Debüt bereits wieder aufgelöst. In der Zwischenzeit sind aber viele neue Namen aufgetaucht, besonders aus Cardiff. Bunt gemischt, alle in irgendeinem Startloch. Um einen Namen kommt man nicht herum: Breichiau Hir. Ganz einfach deshalb nicht, weil man effektiv an ihm hängenbleibt. Und an den Texten, welche die Band allesamt in walisisch hält. Das sticht heraus. Ob das auch für die Musik gilt, ist eine andere Frage.
Vieles bleibt beim Erstkontakt mit Breichiau Hir noch offen. Was der Bandname bedeutet, vermag auch die Suchmaschine nicht recht zu klären und was die Texte aussagen, findet man im Promomaterial – aber das ist gar nicht so entscheidend. Denn eine erste Verortung ist nicht nur wegen der Sprache schwierig, was schliesslich auch ein Kompliment ist. Klar, das Genre Post-Hardcore liegt auf der Hand. Fans von Brand New oder Thrice werden nicht allzu lange brauchen, bis sie den Grundton von «Hir Oes I’r Cof» verstanden haben. Doch es bleibt diffus und das ist interessanterweise gut so, wenn auch teilweise etwas unspektakulär.
Diese Band hat Potential zum Wachsen. Und in den eher nicht so griffigen Momenten braucht es das auch noch. Mit einer noch konsequenteren Umsetzung von Sound, Melodien und Gesang kann die Idee von Breichiau Hir relativ schnell zu einem Versprechen ausformuliert werden. Das Debütalbum selbst wächst nicht unbedingt mit jedem Hördurchgang, vielleicht ist es dafür etwas gar homogen gehalten, aber wenn man sich die Songs einzeln vornimmt, treten die Stärken der Waliser schnell zutage: Sie machen es sich nicht einfach, schaffen es aber, dabei nicht umständlich zu klingen. Beweisstück A ist «Y Pwysau Mawr», das diese Stärken sehr gut auf den Punkt bringt. Gleich danach folgt das ruhig startende «Offni Braidd», das zwar anfangs schnell auffällt, letztlich aber zu klassisch aufgelöst wird. Breichiau Hir leisten sich den Luxus, die gelungenste Komposition an den Schluss zu stellen. Und so steht «Dal Lan Gyda’n Hun» als Beweisstück B am Ende da wie ein Wegweiser und zeigt, wohin es gehen kann – und die Aussicht dort könnte sich lohnen.