Autor: Timo Blunck
Titel: Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?
Verlag: Heyne Hardcore
ISBN: 978-3-453-27137-1
Ja, die 80er waren wild. Dass das Leben berühmter Bands geprägt war von Sex, Drugs & Rock’n’Roll, dürfte keinen mehr vom Hocker hauen. Musiker Timo Blunck versucht es in «Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?» trotzdem.
Eine Chronologie der Eskapaden
«Sie rauchen ohne Filter, ich lebe ohne Filter» – so fasst Protagonist Schröder sein Leben gegenüber seiner Therapeutin zusammen. Wie er auf ihrer Couch gelandet ist? Genau: Mit jeder Menge Drogen, Sex und Abstürzen. Und damit sind richtig grosse Mengen gemeint. Riesige, ausufernde, unkontrollierte Mengen, die im substanzinduzierten Totalkollaps mit Nahtodqualitäten enden.
Wem Palais Schaumburg oder Die Zimmermänner ein Begriff sind, der wird erahnen, wie viel Blunck in Schröder steckt. Timo Blunck, seines Zeichens Bassist besagter Bands, handelt in seinem Roman «Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?» mehr oder weniger seine eigene Biografie ab. Aus Palais Schaumburg wird dabei Villa Hammerschmidt, und aus Blunck eben Schröder.
Der böse Zwilling ist schuld
Schröder ist allerdings niemals allein. Ständiger Begleiter ist eine innere Stimme mit dem bescheuerten Namen Knirpsi. Knirpsi will alles, was Schröders sterblichen Hülle nicht unbedingt guttut. Das ist zwar sehr bildhaft, aber auch ziemlich plump. Zusammen sitzen sie jetzt also bei der kettenrauchenden, wenig reflektierten Dr. Schulz und – labern einfach mal drauflos.
Hauptinhalt des Romans sind dann auch ausführliche Beschreibungen von Schröders (Knirpsis) Promiskuität. Dazwischen passieren ab und zu Getränke- und Substanzunfälle und die eine oder andere Anekdote (Günter Grass, Brigitte Nielsen), mit der der Leser wohl beeindruckt werden soll. Das mag eine Weile lang ganz unterhaltsam sein, aber irgendwann hat man das Koks und die ganzen Brüste, Möpse, Titten und Melonen gesehen. So interessant ist das Paarungsverhalten eines Menschen halt auch wieder nicht, um einen über 450 Seiten lang bei Stange zu halten. Diese Art von Selbstinszenierung ist, was sie ist: anstrengend.
Ist das noch Literatur oder einfach nur gutes Marketing?
Die Frage, ob das noch etwas mit Literatur zu tun hat, sollte man sich nicht stellen. Was «Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?» aber ganz sicher ist, ist perfektes Multi-Channel-Marketing. Neben einer Playlist mit all den Songs, die im Text zitiert werden, gibt es auch noch eine Platte. Diese führt ebenfalls, um einiges weniger mühsam, von Kapitel zu Kapitel. Vielleicht hätte man es einfach dabei belassen können.
Text: Cornelia Hüsser