Band: Bonaparte
Album: Was mir passiert
Genre: Visual Trash Punk
Label: Columbia
VÖ: 14. Juni 2019
Webseite: bonaparte.cc
„Punk ist tot, Reggae ist tot, Jazz ist tot, Hiphop ist tot, Funk ist tot, Schlager ist tot, Klassik auch tot – merkt aber keiner.“ So singt Tobias Jundt alias Bonaparte auf „Das Lied vom Tod“. Guter Grund, sich als Musiker neu zu erfinden und aus den Trümmern dieser toten Genres etwas Neues zu basteln. „Was mir passiert“ als sechstes Studioalbum ist das Resultat einer Reise durch Raum und Zeit, gezeichnet durch Kollaborationen mit zahlreichen internationalen Künstlerinnen und Künstlern und zig Stunden verbracht in Flugzeugen oder öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln auf dem Weg zu oder von Flughäfen. Die wohl am häufigsten angeflogene Destination: Abidjan an der Elfenbeinküste. Die Metropole beherbergt eine so energetische und pulsierende Musikszene, die Tobias Jundt eine Handvoll Tänzer, Musikerinnen und Produzenten bereithält, die mit ihm gemeinsam „Was mir passiert“ ins Leben rufen. Dabei ist Abidjan bis anhin als Heimat zahlreicher Fussballweltstars Frauen und Männer – bekannt. Tobias Jundt hatte noch nie von dieser afrikanischen Metropole gehört, bis ihn die fesselnden Erzählungen eines Freundes zum Aufbruch in den Süden drängten. Auf die erste Reise nach Abidjan folgen viele weitere, Koffer und Kopf gefüllt mit Inspiration und Ideen kehrt er zurück und arbeitet in seinem Berliner Studio weiter.
Während frühere Alben mehrheitlich englischsprachige Texte beinhaltete, wird das (tendenziell, wenn auch nicht immer ganz) ernste und authentische „Was mir passiert“ von einem neuen, deutschsprachigen Bonaparte gesungen. Das heisst, auch zahlreiche andere Künstlerinnen und Künstler leihen den Songs ihre Stimmen, um mit Farin Urlaub und Bela B., Sophie Hunger – Mani Matters „Dene wos guet geit“ covernd – oder Bob de Narr – Zukunftshoffnung der afrikanischen Rapszene – einige Namen zu nennen. Politische und gesellschaftliche Themen finden dabei ebenso ihren Platz in den Texten wie persönliche Aspekte des Menschseins. Wobei die Linie zwischen privat und politisch nie klar gezogen werden kann, wie „Weinbar“ wunderbar aufzeigt. Teile des Songtexts entstammen einer spätabendlichen SMS-Konversation mit Sibylle Berg, Autorin von, unter anderem, „GRM – Brainfuck“ und „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“, Regisseurin und gelegentliche Wortführerin in der NZZ, dem Magazin, der Zeit sowie zahlreichen anderen Online- und Printmedien. Tobias Judt a.k.a. Bonaparte und Frau Berg sind sich jedoch bis anhin nie begegnet, obschon sich ihre zu später Stunde getippten Worte nun auf „Weinbar“ wiederfinden.
Ähnlich anekdotisch ist auch die Zusammenarbeit mit Sängerin und Schauspielerin Fatoumata Diawara. Die in Abidjan aufgewachsene und nun in Frankreich lebende Sängerin mit zwei Grammy-Nominierungen musste den ersten Studiotermin mit Bonaparte sausen lasse, als dieser bereits unterwegs zum Flughafen war. Ein Angebot für eine Wiederholung dieses versäumten Termins kam, während Tobias Jundt gerade seine ZHdK-Studenten im Songwriting unterrichtete. Dass der Dozent dann die Lektion spontan ausfallen lassen musste, um auf dem schnellsten Weg nach Como in Norditalien zu gelangen, verstanden diese natürlich sofort. Aufgenommen wurden Fatoumata’s Vocals für „Cameroon“ – dem einzigen englischsprachigen Song auf „Was mir passiert“ – aufgrund Überbelegung des Tonstudios schlussendlich in einer Abstellkammer mittels Laptops und USB-Interface. Not macht erfinderisch.
Als das Album bereits fertig war, jedoch irgendetwas noch zu fehlen schien, brach Tobias Jundt noch einmal nach Abidjan auf, um einem letzten Song doch noch einen Platz auf „Was mir passiert“ zu sichern. „Neues Leben“ setzt vor zehn Jahren an und ist ein wunderbar ruhiges und reduziertes Stück, das nur mit Mühe mit dem „Visual Trash Image“ Bonapartes in Verbindung gebracht werden kann. Es vervollständigt das Album und stellt den Ruhepol dar, den jede Reise beinhalten muss, um zu verhindern, dass der oder die Reisende unterwegs den Sinn und Zweck des Reisens vergisst. Eingespielt wurde es in einem einzigen Take in Zusammenarbeit mit Rumba-Sänger Tosha Kitona und Gitarrist Jean Claude „JC Guitare“ Emanuel Bidy.
„Punk ist tot, Reggae ist tot, Jazz ist tot, Hiphop ist tot, Funk ist tot, Schlager ist tot, Techno nicht tot – riecht aber komisch.“ Musikalisch zeichnet sich „Was mir passiert“ von den bisherigen Studioalben Bonapartes ab, erinnert stellenweise an Bilderbuch und andernorts an Urlaubsmusik mit Meeresrauschen oder ein trashiges Trapkonzert mit fetten Beats. Kongolesische Gitarren finden dabei ebenso ihren Platz wie Blaskapellen, Synthesizer und Afro-Rhythmen. Das Songwriting ist, wie von einem Dozenten für Songwriting nicht viel anders zu erwarten, durchwegs spannend. Klischees, wie dass ein Song einen Höhepunkt in Form eines Gitarrensolos oder einer Bridge beinhalten muss und der Refrain stets als solcher erkennbar zu sein hat, werden leger widerlegt.
Live ist „Was mir passiert“ im November auf der „BONAPARTE & LE NOUCHI CLAN“-Tour zu erleben. Musiker, die einen Grossteil des Albums eingespielt haben, bereisen die Schweiz, Österreich und Deutschland mit Bonaparte gemeinsam und lassen den Spirit Abidjans ein bisschen auf den hiesigen Winterblues abfärben.
Tracklist:
1. Warten (feat. Bob de Narr)
2. Weinbar
3. Das Lied vom Tod
4. Was mir passiert
5. Big Data (feat. Farin Urlaub & Bela B.)
6. Dene wos guet geit (feat. Sophie Hunger)
7. Ins Herz geschlafen
8. Ich koche
9. Neues Leben
10. Château Latife
11. Apotheker Apotheker
12. Cameroon (feat. Fatoumata Diawara)
13. Jaja
14. Und mich
15. Is OK (Lieben for Life) (feat. Ruby & Hazel)
Bandmitglieder:
Tobias Jundt
Gründung:
2006
Text: Sarah Rutschmann